© Blühendes Barock
© Bernd Pieper
© Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg
Auf Schillers Spuren
(von Bernd Pieper) Der Fußweg vom Ludwigsburger Bahnhof zum Blühenden Barock ist kurz. Wir gehen durch die Myliusstraße und freuen uns über die interessante Mischung aus Bioläden, türkischen Lebensmittelgeschäften, Bäckereien, Optikern, Reisebüros und vielem mehr – hier lebt der Einzelhandel in seiner ganzen Vielfalt. Am Schillerplatz sehen wir ein Denkmal des deutschen Dramatikers und Lyrikers, der in Ludwigsburg einige Jahre seiner Jugend verbrachte.
Nach ein paar Metern durch die Arsenalstraße biegen wir rechts in die Wilhelmstraße. Gingen wir geradeaus weiter, wären wir in wenigen Minuten am Eingang zum Blühenden Barock. Doch wir haben genug Zeit – Ludwigsburg ist zu Recht stolz auf seine barocke Innenstadt –, und so gönnen wir uns auf unserer Wanderung einen Abstecher nach links in die Obere Marktstraße, die uns direkt auf den Marktplatz führt. Heute ist Samstag, einer von drei wöchentlichen Markttagen – der hier seit 1714 abgehalten wird –, und so ist der laut Theodor Heuss „stolzeste Platz Württembergs“ mit viel Leben erfüllt.
Auf dem Marktplatz
Ludwigsburg betreibt Eigenwerbung als „barockes Gesamtkunstwerk“ und angesichts des großen, rechteckigen Marktplatzes mit seinen zwei schmucken Kirchen und pastellfarbenen Arkadenhäusern lässt sich dieser Einschätzung kaum widersprechen. Ein frühes Zeugnis bürgerlichen Selbstbewusstseins spiegelt sich in dem Umstand wider, dass der Marktplatz als „bürgerliche Mitte“ Ludwigsburgs deutlich höher liegt als das den Adel repräsentierende Residenzschloss. Doch natürlich ist der Adel auch hier präsent, und zwar in Form einer Statue des Stadtgründers Herzog Eberhard Ludwig am Marktbrunnen.
Wir streifen zwischen den Marktständen umher und erfreuen uns am vielfältigen Angebot. Im Schwabenland wird offenkundig nicht nur fleißig gespart, sondern ebenso gern dem kulinarischen Genuss gefrönt. Das war bestimmt auch im Sinne der vielen Schriftsteller und Dichter, die rund um den Ludwigsburger Marktplatz gewohnt haben oder hier geboren wurden, von Eduard Mörike über Justinus Kerner und Friedrich Theodor Vischer bis hin zu besagtem Friedrich Schiller. Ein stimmungsvoller Ort und wir nehmen uns vor, später hier noch einmal vorbeizuschauen.
Eine erfolgreiche Idee
Wir gehen die Bärenstraße in Richtung Osten, überqueren die viel befahrene Schlossstraße und gelangen über die Schorndorfer Straße zum Haupteingang des Blühenden Barock. Hier gibt es – neben einem sehr zu empfehlenden Übersichtsplan – auch Karten für die Besichtigung des Jagd- und des Residenzschlosses sowie für den Besuch verschiedener im Schloss eingerichteter Museen. Man kann die Innenräume des Schlosses nur im Rahmen einer Führung besichtigen, die in der Saison täglich jede halbe Stunde angeboten wird. Die wollen wir uns nicht entgehen lassen.
Bevor wir durch das Blühende Barock und den Märchengarten streifen, informieren wir uns kurz über die interessante Geschichte des rund 30 Hektar großen Geländes. Bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts ließ Herzog Eberhard Ludwig rund um das Ludwigsburger Residenzschloss Gärten anlegen, die erweitert und etwa Hundert Jahre später zu Obstgärten umgestaltet wurden. Mit der Zeit verfi elen die Gärten zusehends, bis 1951 der damalige Direktor der „Staatlichen Anlagen und Gärten“, Albert Schöchle, die Bundesgartenschau in Hannover besuchte und mit dem festen Vorsatz nach Hause kam, es in Ludwigsburg rund um das Residenzschloss besser zu machen.
Im April 1954, zum 250-jährigen Bestehen des Schlosses und zum 50. Geburtstag des Württembergischen Gärtnereiverbands, wurde die Gartenschau eröffnet – und ein derartiger Erfolg, dass aus einer für sechs Monate geplanten Veranstaltung eine Dauergartenschau wurde. Drei Jahre später fiel dann, nach einer offenbar inspirierenden Hollandreise Albert Schöchles, der Startschuss für den Märchengarten, dessen anfänglich neun Stationen mit den Jahren auf mehr als 40 erweitert wurden.
Barocke Pracht
Doch bekanntlich ist alle Theorie grau und deshalb wollen wir uns jetzt ein eigenes Bild machen. Durch üppig blühende und dabei sehr symmetrisch gestaltete Blumenbeete nähern wir uns dem Schloss. Der barocker Tradition folgende Gestaltungswille imponiert uns, die jüngeren Teilnehmer unseres Ausflugs staunen über so viel exakt gesetzte Buntheit. Bei der anschließenden Schlossführung erzeugen vor allem das Modemuseum und das Schlosstheater mit seiner originalen Bühnenmaschinerie aus dem Jahr 1758 generationenübergreifendes Interesse.
Wir fühlen uns von der Pracht beinahe ein wenig erschlagen und sind froh, beim Streifzug vom Barock über das Rokoko bis hin zum Klassizismus eine kompetente Begleitung an unserer Seite zu haben. Das Ludwigsburger Porzellan im Keramikmuseum würde auch unsere Kaffeetafel schmücken und in der Barockgalerie ragen aus kunsthistorischer Sicht vor allem die Arbeiten des aus Biberach stammenden Malers Johann Heinrich Schönfeld heraus – wir finden die rund 120 ausgestellten Werke einfach nur schön.
Im Märchenreich
Schwer beeindruckt verlassen wir das Schloss. Bevor wir den Märchengarten erobern, halten wir uns in dem weitläufi gen Gelände – das bei unserem Besuch in weiten Bereichen von einer Kürbisausstellung dominiert wird – rechts. Nach einer Stärkung im Parkcafé besichtigen wir einen duftenden Kräutergarten, eine Großvoliere mit Störchen und Flamingos und einen Spielplatz mit historischen Spielgeräten. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Spielen nicht nur Kindersache, sondern ein Vergnügen für adelige Menschen jeden Alters. Der doch recht steife und förmliche Alltag bei Hofe verlangte geradezu nach spielerischem Ausgleich. Bei den Spielgeräten am Schüsselesee, darunter ein besonders hübsches Karussell, handelt es sich nicht um die Originale, aber um originalgetreue Rekonstruktionen, die auch heute noch gut funktionieren. Dass auch Märchen im Zeitalter von Computer und Mobiltelefon noch gut funktionieren, davon können wir uns jetzt im Märchengarten überzeugen. Der ist zwar etwas in die Jahre gekommen, hat aber nichts von seinem Zauber eingebüßt. Direkt hinter dem Tor stimmt uns ein weiser Märchenerzähler auf die vor uns liegenden Erlebnisse ein. Dahinter wartet der „Riese von Ludwigsburg“ in seiner prächtigen Uniform, dessen Vorbild früher tatsächlich einmal seinen Dienst am Hofe des Herzogs verrichtet haben soll. Einen weiteren Riesen werden wir später treffen, Goliath, den man besser nicht in seiner Ruhe stören sollte.
So vergehen mehrere Stunden wie im Flug, mit Schneewittchen, Aschenputtel, Rotkäppchen, Hänsel und Gretel, Max und Moritz und all den anderen Bewohnern des Märchenreichs. Ali Baba und seine 40 Räuber, Aladin, Sindbad und ihre Freunde sind als Gäste aus 1001 Nacht herzlich willkommen. Ein Streichelzoo, ein Wasserspielplatz und eine Fahrt durch den Märchenbach komplettieren die Szenerie, und wer nun überhaupt keine Lust auf Märchen hat, den lädt das dicht bewachsene Gelände zum Verstecken und Herumstromern ein.
Ein schwerer Abschied
Irgendwann heißt es, Abschied zu nehmen – schweren Herzens zwar, aber wir trösten uns damit, dass der Märchengarten sicher noch weitere Jahrzehnte die Jungen und Junggebliebenen erfreuen wird. So verlassen wir das Blühende Barock und gönnen uns zum Finale eines ereignisreichen Tages noch ein paar Leckereien in der unweit des Marktplatzes gelegenen Fischhalle Seybolds. Die herausragende Qualität der Fisch und Wildspezialitäten dieses bereits in der zehnten Generation betriebenen Fachgeschäfts mit angeschlossenem Imbiss wurde schon mehrfach ausgezeichnet – sehr zu Recht, wie wir finden. Nach einem kurzen Spaziergang durch die rechtwinkligen Gassen der barocken Innenstadt erreichen wir den Bahnhof, wo wir nur wenige Minuten auf die nächste Bahn warten müssen.
Mehr interessantes:
Kinderreich im Residenzschloss
Der königliche Schlossadler Federico nimmt die kleinen Besucher des interaktiven Kinderreichs im Residenzschloss unter seine Fittiche. Bei der Reise durch die höfische Welt sind Anfassen und Ausprobieren ausdrücklich erwünscht. Nachdem sich die Nachwuchshöflinge in den Kleiderschränken bedient haben, geht es in den Thronsaal und das Schlafgemach mit einem großen Himmelbett. An verschiedenen Spiel- und Aktivstationen lernen die Besucher die Schlossbewohner kennen, gestalten königliche Urkunden und stellen in verschiedenen Spielen ihr Geschick unter Beweis.
Schloss Favorite
Ebenfalls zum barocken Gesamtensemble gehört das in den Favoritegärten gelegene Jagd- und Lustschloss Favorite. Das Schloss wurde zwischen 1717 und 1723 nach Plänen des Hofbaumeisters Donato Giuseppe Frisoni erbaut und vervollständigte das barocke Gesamtensemble im Norden. Im frühen 19. Jahrhundert wurden die Innenräume mit aufwendigen Stuckzierrat und Gemälden im klassizistischen Stil umgestaltet.
Zusammenfassung und Adressen:
Anfahrt: Mit der DB Regio bis Ludwigsburg Bf. (www.bahn.de).
Am Günstigsten mit dem Baden-Württemberg-Ticket
Wanderung Start/Ziel: Ludwigsburg Bf., Länge: ca. 8 Kilometer
Tourist-Information, Ludwigsburg, Im MIK, Eberhardstraße 1, 71634 Ludwigsburg, Tel. 07141-910 22 52, www.ludwigsburg.de , Öffnungszeiten: täglich 10–18 Uhr
Blühendes Barock, Haupteingang Schorndorf Straße, 71634 Ludwigsburg, www.blueba.de, Öffnungszeiten: 18. März–6. Nov. Täglich 7.30–20.30 Uhr, 7. Nov.–17. März siehe Website, Eintritt: Tageskarte Erw. 8,50 €, erm. 4,20 €, Barocke Erlebniskarte (inkl. Residenzschloss und Schloss Favorite) Erw. 17 €, erm. 9 €, Gruppen- und Familientickets siehe Website, Märchengarten 18. März–6. Nov. Täglich 9.30–18 Uhr
Residenzschloss Ludwigsburg, Schlossstraße 30, 71634 Ludwigsburg, Tel. 07141-18 20 04, www.schloss-ludwigsburg.de, Öfnungszeiten: täglich 10–17 Uhr, Eintritt: Erw. 7 €, erm. 3,50 €, Besichtigung der Innenräume nur im Rahmen einer Führung
Kinderreich, Anmeldung erforderlich, Termine: Sa., So. 12 und 14 Uhr, in den Schulferien zusätzlich Mi. 12 und 14 Uhr, Dauer: 3 Stunden, Eintritt: Erw. 7 €, Kinder 3,50 €, Familien 17,50 €
Schloss Favorite, Favoritepark 1, 71634 Ludwigsburg, Tel. 07141-18 20 04, www.schloss-favorite-ludwigsburg.de, Öffnungszeiten: 15. März–6. Nov. Täglich 10–12 Uhr und 13.30–17 Uhr, 7. Nov.–14. März Di.–So. 10–12 Uhr und 13.30 bis 16 Uhr, Eintritt: Erw. 4 €, erm. 2 €, Besichtigung der Innenräume nur im Rahmen einer Führung
Parkcafé, In den Anlagen 2, 71640 Ludwigsburg, Tel. 07141-92 38 67, www.restaurant-parkcafe.com, Öffnungszeiten: 20. März–1. Nov. täglich 10–18 Uhr
Seybolds Fischhalle, Eberhardstraße 14, 71634 Ludwigsburg, Tel. 07141-92 32 73, www.seybolds-fischhalle.de, Öffnungszeiten: Mo.–Fr. 8–18 Uhr, Sa. 7.30–14 Uhr
Der Ausflug wurde entnommen aus:
Familienausflüge
Die 16 schönsten Touren in Baden-Württemberg
12 cm x 20,5 cm, kartoniert 192 Seiten mit zahlreichen Fotografien und Karten
J.P. Bachem Verlag
ISBN 978-3-7616-3126-3,
14,95 Euro, Auch als eBook erhältlich
© Outdooractive GeoBasis-DE / BKG 2017