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Wichteltüren im Trend: Zwischen Magie und Mental Load

24.11.2025

Von Wichteltüren und Weihnachtszauber – Ein Plädoyer für Tomte, Nisse und Knut

von Corinna Fuhrmann

Ursprünglich aus Skandinavien stammend, wo sie als freche Hausgeister die Adventszeit verzaubern, haben Wichtel längst ihren Einzug in unsere heimischen Wohnzimmer gefunden. 

Wichtel helfen bei den Weihnachtsvorbereitungen und verkürzen mit lustigem Unfug oder magischen Zaubereien die Wartezeit bis zum Heiligen Abend. Allerdings mag sich manch Skeptiker fragen, ob wirklich jeder Hype zelebriert werden muss und ob Altbewährtes, wie ein traditioneller Adventskalender, nicht auch sein Soll erfüllt. Ich für meinen Teil möchte rufen „NEIN!!!“. Denn Weihnachten ohne Pim und Sabinchen (so die wohlklingenden Namen unserer Teilzeitmitbewohner) wäre wie Nikolaustag ohne Stiefel.
Dabei kann so eine Fabelwesenbehausung schnell zum Fass ohne Boden werden. Dank Social Media könnte man meinen, dass sich ohne eine voll ausgestattete Vierraumwohnung kein Wichtel aus dem Wald locken lässt. Aber weit gefehlt, denn bereits aus alten Eisstielen, übrigen Holzschächtelchen, etwas Moos, kleinen Ästen und Korken können bezaubernde und, ganz nebenbei, kostengünstige Wichtellandschaften entstehen. Es lebe DIY! 

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Es lebe DIY

Aber warum gebe ich mir, zusätzlich zum Vorbereitungsmarathon und der Termindichte im Advent, den Stress eines allabendlichen Kreativ-Jourfix im Wichtelland? Naja, zum einen, weil es mir Spaß macht, kleine Miniaturwelten entstehen zu lassen – schöne Grüße an das Playmobilmädchen aus Kindheitstagen. Zum anderen lieben Kinder Geschichten über Fantasie- und Fabelwesen. Mit kindlicher Neugier und Vorstellungskraft lassen sie sich verzaubern von Erzählungen über Drachen, Elfen, Hexen und Zauberern. Solche Ausflüge ins Traumland sind entscheidend für ihre Entwicklung, weil es deren Kreativität fördert und sie durch das Thematisieren von Konflikten und Ängsten Empathie für ihre Mitmenschen entwickeln. 

Erwartungsfrohe Kinder

Das Potenzial für spannende und geheimnisvolle Geschichten über einen, in der Wand wohnenden, Wichtel ist hierbei fast unerschöpflich - glitzerndes Zauberpulver, das Gummibärchenbäume wachsen lässt, Fußstapfen in der Butter und und und …. Wenn dann früh morgens Kinderfüße erwartungsfroh übers Parkett zur Wichtelbehausung tapsen und sich darüber unterhalten, was der kleine Freund in der Nacht wohl erlebt hat, hat sich die ein oder andere Stunde Vorbereitungszeit schon gelohnt. 
Um abschließend alle Traditionalisten versöhnlich zu stimmen: ja, Pim und Sabinchen sind ein neu eingeführter Brauch in unserem Weihnachtsritus. Aber wir verbinden ihn mit den jahrzehntelang gelebten Traditionen unserer Eltern und Großeltern. So fordern die kleinen Hausgeister dazu auf, selbstgebastelten Weihnachtsbaumschmuck zu kreieren, wünschen sich von den Kindern vorzutragende Adventslieder oder hinterlassen kleine Briefchen mit Rezepten zum Lieblingswichtelgebäck. 

An dieser Stelle sei verraten, dass sich unsere Ursprungswichtel über die Jahre vermehrt haben und mittlerweile eine ganze Wichtelfamilie unsere Gastfreundschaft genießt. Und wisst ihr was, wir freuen uns schon jetzt, bis diese zauberhaften Wesen unseren Alltag wieder ein wenig magischer machen. Also herzlich willkommen, liebe Wichtel – fühlt euch wie Zuhause!

Wichtel? Nein danke! Eine Gegenposition

von Christina Stefanou

Anders als meine Kollegin Corinna auf  der gegenübeliegenden Seite halte ich nicht viel vom Hype um die kleinen Wichtel.

Er ist klein, geheimnisvoll – und ein Vollzeitjob: der Weihnachtswichtel. Aus Skandinavien importiert, wo er früher Kornsäcke bewachte und auf den Stall aufpasste, hat er nun die deutschen Kinderzimmer erobert. Muss man sich diese neue Dimension elterlicher Selbstoptimierung antun? Termine, Geschenke, Briefe, Streiche – alles irgendwie „Wichtelarbeit“, aber wer macht´s? Wir! Nachts! Wenn die Kids selig schlafen! Weil: Wichtel haben Zauberkräfte, die sie verlieren, wenn sie von Menschen gesehen werden. Deswegen sind sie tagsüber versteckt und nur nachts aktiv.

Klingt ja nett: Ein Wichtel zieht im Advent ein, hinterlässt kleine Überraschungen, lustige Streiche, zaubert staunende Kinderaugen. In der Praxis heißt das: Mama kriecht nach 22 Uhr durch die Küche (gähn), verstreut Mehlspuren (die sie am nächsten Morgen wieder wegwischt), baut Miniaturhäuschen mit Mikromöbelchen (Fingerkrampf), Papa bastelt winzige Briefe in noch winzigerer Schrift, und – auf keinen Fall vergessen -  dass der Wichtel und alle Spuren „über Nacht“ wieder verschwunden sind, damit die Illusion stimmt. Mental Load deluxe 24/7.

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Elterliche Selbstoptimierung

Natürlich könnte man sagen „Aber es ist doch zauberhaft!“ Ja, für die Kinder. Für uns Eltern ist der Wichtel eher ein zusätzlicher unsichtbarer Chef, der permanente Kreativität, Pünktlichkeit und Übernachtaktionen verlangt. „Wo ist der Wichtel heute Nacht?“ – fragt das Kind. „Keine Ahnung, vielleicht in der Garage?“ – denkt die übermüdete Mutter. Hand aufs Herz, wie viele Nächte hält man den Zauber durch, bis man statt Zuckerstreusel nur noch schlechte Laune verstreut? 
Vor allem, der Wichtel schafft Erwartungen. Heute ein Brief, morgen ein originelles Geschenk, übermorgen ein lustiger Streich –  und wie erklärt man dem Nachwuchs eigentlich, dass der Wichtel letzte Nacht anscheinend schlicht… vergessen hat, etwas zu tun? Und nächstes Jahr? Kann man ja nicht die alten Streiche wieder aufwärmen. Irgendwann fragt sich das Kind: „Wieso hat der Wichtel bei uns eigentlich weniger gemacht als bei meiner Freundin?“ Zack, die Weihnachtsmagie wird zur stressigen Vergleichs-Performance. Mal ganz abgesehen von den zusätzlichen Kosten, die die kleinen Kerlchen produzieren.
Also, lieber Wichtel: Kümmere dich um die Tiere im Stall, bewache die Kornspeicher – und lass uns Eltern den Advent genießen. Wir haben schon - natürlich selbstgebastelte - Adventskalender, Nikolausstiefel, Schulaufführungen, Plätzchenbacken und Geschenkeshopping. Noch ein Brauch – und wir melden uns wegen mentaler Überlastung arbeitsunfähig.