Festivalleitung Grete Pagan und Frederic Lilje

Theater-Festival "Schöne Aussicht" - Hintergrundwissen & Gastspiele

21.05.2024

Vom 8. bis 15. Juni wird zum 14. Mal das Internationale Theaterfestival „Schöne Aussicht“ in Kombination mit dem Baden-Württembergischen Theatertreffen am Jungen Ensemble Stuttgart (JES) stattfinden. Zu der Fragestellung „How do you handle uncertainty“ wurden 10 Inszenierungen aus unterschiedlichen Ländern eingeladen, die alle auf tiefgehende und mutige Weise diverse Antworten auf vorhandene Unsicherheiten geben.

Der Luftballon hat sich mit der Festivalleitung Grete Pagan und Frederic Lilje über die Hintergründe des Festivals unterhalten.

Liebe Frau Pagan, lieber Herr Lilje, wie wurden die teilnehmenden Theatergruppen für das diesjährige Festival ausgewählt?

Grete Pagan: Wir wollten dieses Jahr eine offene Ausschreibung machen, das gab es bisher noch nicht. Bisher sind die künstlerischen Leiter*innen mit Unterstützung von anderen Menschen aus dem JES zu Festivals weltweit gereist und haben die inspirierendsten Produktionen zu einem möglichst runden Festivalprogramm zusammengestellt. Da war auch überhaupt nichts falsch dran. Aber bei einem solchen System haben die, die es noch nie auf ein Festival geschafft haben, wenig Chancen. Wir wollten, dass auch Menschen, die noch niemand kennt, die Chance haben, sich zu bewerben. Und das war dann auch hochspannend: wir hatten über 200 sehr diverse Bewerbungen.

Neu ist auch, dass es eine Leitfrage gibt, mit der sich die einzelnen Produktionen auf verschiedene Art und Weise beschäftigen. Warum haben Sie sich dafür entschieden?

Frederic Lilje: Diese Leitfrage gab uns eine erste Möglichkeit, die Bewerbungen vorab zu sortieren. Es hat uns sehr geholfen, zunächst zu schauen, welche Antwort wir darauf erhalten. So konnten wir nach Gastspielen suchen, die auf irgendeiner Ebene, sei es auf einer formalen, auf einer menschlichen oder auf einer inhaltlichen Ebene, nach Möglichkeiten suchen, wie man mit Unsicherheit umgehen kann.

Erst während des Kurationsprozesses haben wir dann bemerkt, wie vielschichtig das Thema ist: So geht es in den Theaterstücken manchmal um Unsicherheit im familiären Umfeld, dann wieder um physikalischen Halt im akrobatischen Sinne. Oder wir erfahren, wie ein ganzes Land mit Ungewissheit umgeht. Die Vielschichtigkeit ist uns dann erst in den Arbeiten begegnet und es war total schön, diese zu entdecken.

Was bedeutet denn „internationale“ Theatergruppen konkret?

Frederic Lilje: Die geographische Ansiedlung der Künstler*innen erstreckt sich von Belgien und der Schweiz bis nach Kanada und Indien, es sind auch südamerikanische Künstler*innen vertreten, und wir haben auch ein Stück, in dem zwei Kinder aus dem Iran mitspielen, obwohl sie nicht live auf der Bühne stehen können.

Dann bekommen junge Zuschauer beim diesjährigen Festival die weltweit besten Theaterproduktionen zu sehen?

Grete Pagan: Sie bekommen herausragende Theaterstücke zu sehen. Die Qualität von Kunst zu beurteilen ist ja objektiv gar nicht möglich. Zum Beispiel schauen wir im Kuratorium aus einer europäischen Perspektive auf die Stücke. Ich würde es so sagen: Das Publikum kann sich auf überraschende, beeindruckende und außergewöhnliche Theatererlebnisse freuen.

Alle Termine des Festivals findet ihr in unserem Veranstaltungskalender unter der Rubrik Theaterfestival Schöne Aussicht

Alle weiteren Stücke, darunter auch die Stücke für Jugendliche und die Teilnehmer des Baden-Württembergischen Theatertreffens, sind auf der Website zu finden (www.jes-stuttgart.de).

Festival „Schöne Aussicht“, 8. bis 15. Juni, Junges Ensemble Stuttgart (JES), Eberhardstraße 61A, S-Mitte, Tel. 0711-21848018

Internationale Gastspiele ab 12 Jahren:

  • Kaffee mit Zucker? (ab 12): 14. Juni, 20:00 und 15. Juni, 11:00, Theater Rampe
  • Beating Choir/Chœur Battant (ab 14): 10. Juni, 19:00 und 11. Juni, 11:00 Theater Rampe
  • The Enlightened (ab 14): 10. Juni, 10:00 und 14:00, JES Theatersaal
  • Songs for no one (ab 15): 8. Juni, 20:00 und 9. Juni,19:00, Theater Rampe

Auswahl aus dem Programm des Festivals „Schöne Aussicht" 2024

Frau hat eine Stück Orange im Mund. In dem Stück Orange steckt ein Messer.
© compagnie barbarie&Bronks - Grote Mensen

Die absurd-tragische Horrorkomödie „Grote Mensen“ (ab 4 Jahren) der „compagnie barbarie & BRONKS“ aus Belgien beschreibt das Leben von Erwachsenen, während ihre Kinder weg sind. Die Frage ist: Bringen sie die Welt in Ordnung, oder machen sie es sich bequem bei einem Mittagsschläfchen oder anderen Tätigkeiten? Mit wenig Sprache und fantastischem Slapstick bricht am Ende die Welt der Erwachsenen vor den Augen des jungen Publikums auseinander (15. Juni, 11 Uhr, JES Theatersaal).

© Illias Teirlinck - Familie Grrr

Bei „Familie Grr“ (ab 6 Jahren) hängt der Hausfrieden schief, denn die Eltern streiten miteinander. Als ihr Streit immer absurder wird und über alles hinauswächst, geraten vermeintlich feste Familienstrukturen in Wanken. Die belgische Compagnie hetpaleis zeigt ein Theaterstück, das auf humorvolle Weise das Thema Scheidung in Familien aufgreift. Das Schauspiel wird in deutscher Lautsprache und Gebärdensprache aufgeführt. (12. Juni, 16 Uhr, JES Theatersaal)

© Anne Steudler - Goodbye Stracciatella

Das inklusive Tanztheater „Goodbye Stracciatella“ (ab 6 Jahren) der Schweizer Companie „BewegGrund“ kommt ganz ohne Sprache aus und erzählt von Freundschaft und Verzicht. Die beiden Darsteller sind mal nah und zärtlich zueinander, dann wieder stoßen sie sich ab und kämpfen miteinander. Schon viele Jahre arbeitet die Companie „Beweggrund“ an einem selbstverständlichen Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen auf und hinter der Bühne und hat mit der Choreographin Tabea Martin dieses Tanztheater realisiert. (14. Juni, 18 Uhr, FITZ)

Auf einer Wiese steht eine Frau. Sie trägt zwei weitere Frauen, die auf Ihren Schultern stehen.
© Mimbre - „Lifted“

Das Akrobatik-Tanz-Theaterstück „Lifted“ (ab 3 Jahren) der Londoner Compagnie „Mimbre“ kommt ganz ohne Sprache aus. Die drei Performerinnen halten sich gegenseitig, ebenso wie sie einander aushalten. Sie fallen und werden aufgefangen, zeigen Vertrauen und Mut. Dabei hinterfragen sie Gender-Stereotype in Kunst und Gesellschaft (8. und 9. Juni, jeweils 12 und 15 Uhr, Marienplatz und Spielhaus Unterer Schlossgarten).

© Bronic/Röhrich&JNTM - Unter Drachen

Schließlich möchte das Erzähltheater von „Bronic/Röhrich & JNTM“ aus der Schweiz in „Unter Drachen“ (ab 8 Jahren) seinen jungen Zuschauern zeigen, wie es ist eine geliebte Person zu verlieren und wie sie damit umgehen können: Ira hat sich nach dem Tod ihres Großvaters einen Ort für Gefühle und Erinnerungen gebaut. Sie lädt das Publikum in diese „Höhle“ ein und es erfährt dabei, wie eine Beziehung auch nach dem Tod weitergehen kann und wie Erinnerungen trösten können. Das Theaterstück ist trotz seines schweren Themas ermutigend, vielleicht gerade weil es Gefühle zulässt und nicht verharmlost. (9. Juni, 11:00 und 17:00 Uhr, tri-bühne)

© Nelly Rodriques - Forever

In der Tanzperformance „Forever“ (ab 8 Jahren) der Choreografin Tabea Martin geht es um das Leben, aber auch um den Tod und was Kinder über das Sterben und die Unsterblichkeit denken. Im Vorfeld entwickelten Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren bei Interviews, Spielen und Workshops ganz persönliche Antworten auf diese Fragen. Um diese auf der Bühne darzustellen, benötigen die Tänzer unter anderem viele Liter Kunstblut und eimerweise Tränen. (12. Juni, 20.00, Theater Rampe)