Weihnachten steht vor der Tür und damit bei vielen auch ein Haufen Gäste. Während die einen nur zum Essen kommen, reisen andere gleich mit Sack und Pack an und bleiben über die Feiertage. Das bedeutet eine Menge Arbeit, von Essen kochen bis zum Unterhaltungsprogramm. Damit es nicht in Stress ausartet, sollte man sich gut rüsten.

Hilfe, die Familie kommt!

Beim Blick in den Kalender beschleunigt sich mein Pulsschlag. Wie ist das möglich? Eben habe ich die ersten Plätzchen gebacken, den Adventskranz gebunden und die Kalender bestückt und schon sind es nur noch drei Tage bis Weihnachten. Die Zeit rennt. Das bedeutet aber auch, nur noch drei Tage, bis die Schwiegereltern anreisen.

Und nur noch drei Tage, bis der Rest der Verwandschaft antanzt und ich ein Essen für 16 Personen auf den Tisch zaubern muss. Ganz abgesehen davon, dass der Tannenbaum noch nicht gekauft ist, noch einige Geschenke fehlen, das Haus in Ordnung gebracht werden muss, das Gästezimmer bereitet und, und, und.

Wenn Kind und Kegel „einfallen“

Wie mir geht es vielen anderen Familien vor den Festtagen. Bei den einen kommen die eigenen Eltern oder Eltern des Partners zu Besuch, bei den anderen sind es Oma und Opa oder Tanten und Onkel. Und wenn die Kinder dann erst mal so groß sind, dass sie aus dem Haus sind, ist es der eigene Nachwuchs, der mit Anhang groß und klein vor der Tür steht.

Da kann es in der einen oder anderen Wohnung schon mal recht eng werden.

Weihnachten mit geschiedenen Eltern

Aber wie geht man mit dem bevorstehenden Fest um, wenn sich Elternteile, die geschieden sind, anmelden? Auch das muss an Weihnachten geregelt werden. Und auch bei harmonisch getrennten Paaren ist Weihnachten eine Herausforderung.

Sylvia und ihr Mann Ralf sind seit drei Jahren geschieden. Sie ist mit den drei Kindern in der Wohnung geblieben, ihr Ex-Mann wohnt jetzt in einer anderen Stadt. Doch zu Weihnachten wünschen sich die Kinder nichts sehnlicher als ein gemeinsames Weihnachtsfest. Silvia und Ralf haben sich einverstanden erklärt. Zu Weihnachten zieht Ralf für zwei Tage wieder bei seiner Familie ein. Ins Gästezimmer. Aber dennoch ist die Situation knifflig.

„Wir versuchen den Kindern ein schönes Fest zu bescheren“, erklärt Sylvia. „Aber nach zwei Tagen reicht es dann auch und ich merke, dass ich mich die Tage ganz schön zusammenreißen muss.“

Erwartungen herunterschrauben

Es gibt kaum ein Fest, an das so viele Erwartungen geknüpft sind, wie an das Weihnachtsfest. Das Essen muss perfekt sein, die Gäste glücklich, alles harmonisch. „Das Fest der Liebe toleriert keine Konflikte“, verrät Julia Dreseler, Familienpsychologin. Ein perfekter Ablauf wird erwartet und den ganzen Tag glückliche Gesichter. Das erzeugt Druck auf alle Beteiligten. „Reduzieren Sie die Erwartungen an sich selbst und ihre Mitmenschen“, rät Dreseler. Keine Familie ist perfekt. Auch Spannungen gehören zum menschlichen Miteinander und kommen häufig beim Zusammentreffen verschiedener Generationen zustande.

Konflikte, gerade in der Familie, können aber auch positive Effekte haben und Nähe schaffen, vorausgesetzt, sie werden gut geklärt. Das ist eine Chance, ein Streitthema nur zu einer kleinen Auseinandersetzung zu machen, statt zu einem großen Zerwürfnis. Und wenn es an den Weihnachtstagen auch mal zu einem klärenden Gespräch kommt, dann sollte man es zulassen.

„Die besinnlichen Tage zwischen Weihnachten und Neujahr haben schon manchen um die Besinnung gebracht.

Joachim Ringelnatz (1883 - 1934)

Das richtige Essen für jeden

Kontroverse kann es schon bei Kleinigkeiten, wie der Menüfolge, geben. Ein Festbraten ist nicht jedermanns Sache. Der eine ist inzwischen Vegetarier, die andere Veganerin. Dann gibt es vielleicht noch jemanden mit einer Laktoseunverträglichkeit oder Nussallergie. Was soll also auf den Tisch? Kartoffelsalat mit Würstchen, Fleischfondue und Karpfen sind in vielen Familien Tradition. Doch muss es immer traditionell hergehen? Ist es nicht viel wichtiger zu überlegen, wie der Menüplan stressfrei für die Köchin oder den Koch gestaltet werden kann?

Am besten, jeder bringt etwas mit. So können auch landestypische Gerichte von Familienmitgliedern anderer Kulturen oder Speisen für Personen mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten problemlos eingebaut werden.

Es muss nicht alles perfekt sein

Das Essen an Weihnachten ist die eine Sache, der Tannenbaum und die Dekoration eine andere. „Warum haben wir denn die alten Holzfiguren im Baum?“ fragten meine Kinder im letzten Jahr, verdrehten die Augen und zogen ein Gesicht, als hätte ich den Baum mit vergammelten Früchten geschmückt. Meine Tochter hätte lieber die rosa Kugeln gehabt, mein Sohn mag es rot und weiß. Ich persönlich hatte schon mal wieder über Lametta nachgedacht, aber der Kritik, ich wäre damit eine Umweltsünderin, mochte ich mich lieber nicht stellen.

Kurz und gut, am besten alle schmücken den Baum gemeinsam und jeder bringt seine Ideen mit ein. Dann gibt es auch später nichts mehr zu meckern. Das gilt sowohl für den Baum, als auch für das Essen und für die Unterbringung der Gäste. Das Gästezimmer muss nicht nach den Bedürfnissen des Gastes dekoriert sein und wenn abends kein Schokolädchen auf dem Kopfkissen liegt, ist das auch kein Beinbruch.

Für ein gelungenes Fest sind Toleranz, Offenheit und Humor viel stärker gefragt als Perfektion.

Das Miteinander bewusst genießen

Und doch bedarf es vor Weihnachten ein paar Überlegungen für den Ablauf der Festlichkeiten. Soll es zum Beispiel in die Kirche gehen, ja oder nein. Wenn ja, zum Kindergottesdienst oder lieber zur Mitternachtsmesse? Weitere Programmpunkte, wie gemeinsames Singen oder Musizieren könnten auf dem Programm stehen. Vielleicht kommt auch der Weihnachtsmann persönlich oder das Christkind? Oder es wird die Weihnachtsgeschichte vorgelesen. Wenn nicht alle Familienmitglieder live beim Fest dabei sein können, ist auch das weihnachtliche Skypen mit Angehörigen ein immer wichtiger, werdender Programmpunkt. So können auch ferne Verwandte oder ältere Menschen, die nicht mehr reisen wollen oder können, teilhaben.

„In der Geborgenheit der ganzen Familie Weihnachten zu feiern, ist je nach Konstellation eine große Herausforderung, aber auch eines der besten Geschenke“, schrieb ein unbekannter Autor und bringt damit die besondere Bedeutung des Weihnachtsfestes mit all seinen Schwierigkeiten zum Ausdruck.

Da das Weihnachtsfest als wichtigstes Fest der Christen zählt, sind unsere Bemühungen um so größer, dieses Fest auch für alle schön zu gestalten.

Entzerren und delegieren

Die Kunst der entspannten Weihnachtstage ist die Verteilung der Aufgaben. Es sollte nicht das Ziel sein, dass zum Beispiel die Mutter alles alleine macht und am Ende des Abends unter dem Tannenbaum zusammenbricht. Wenn alle Familienmitglieder eingebunden werden und auch Gäste Pflichten übernehmen, dann entlastet das die ganze Familie.

Dafür ist es auch notwendig, Kompromisse zu machen. Wenn die anderen einem zur Hand gehen, werden Abläufe auch mal anders ausfallen, als man sie vielleicht selber im Kopf geplant hatte. Flexibilität ist notwendig. Dann gibt es in diesem Jahr vielleicht mal kein selbstgemachtes Früchtebrot und keinen mit Maronen gestopften Gänsebraten, dann ist der Tisch nicht mit kleinen Weihnachtsmännern aus gefalteten Servietten geschmückt.

Im Vorfeld sollte man auch genau überlegen, wer die Feiertage wo und mit wem verbringen möchte und soll. Vielleicht reicht es, den Heiligen Abend im engsten Familienkreis zu feiern und am ersten und zweiten Weihnachtstag einen Besuch zu machen. Auch wenn es sonst an Weihnachten immer anders war. Man muss nicht an allen Ritualen festhalten. Mut zur Lücke! Das entspannt.

Und dann ist es auch nicht schlimm, wenn die Schwiegereltern nach Weihnachten verkünden: „Wir bleiben noch bis Silvester!“

Buch und Medientipp:

„Tief durchatmen, die Familie kommt - Erlebnisse der Familie Bundschuh“ 

Andrea Sawatzki erzählt in ihrem Roman und der gleichnamiger TV-Folge der Serie „Familie Bundschuh“ von einem grandios gescheiterten Weihnachtsfest. Boshaft, kurzweilig und sehr komisch. Viele Familien entdecken da vielleicht kleine Parallelen.

Andrea Sawatzki, Tief durchatmen, die Familie kommt, Piper Verlag, 2015, 10 Euro, ISBN 978-3-492-30650-8

Die gleichnamige Folge in der Serie „Familie Bundschuh“, gab es 2021 im ZDF. Sie ist zeitweise in der Mediathek abrufbar.