Von Schubserinnen und Schaufeldieben

Drei Kinder sitzen gemeinsam in einem Sandkasten in der Natur.

Das Wetter ist schön draußen - endlich das Kind auf dem Spielplatz sich austoben lassen und dabei kurz entspannen und plaudern. Noch läuft alles gut. Doch plötzlich: Tränen und Streit. Zwei Freundinnen spielen. Die Kleinere ist das Hündchen. Die Größere ist die Hundebesitzerin und kommandiert herum. Das Spiel - von lustig zu grob. Die Kleine fällt böse hin und weint, sie wurde als „Hündchen“ fest an der Leine gezogen. Die Große lacht, den Schmerz hat sie nicht mal bemerkt. Irgendwann beruhigt sich „das Hündchen“ und spielt weiter mit. Doch bald kommt es wieder in eine ähnliche Situation, die immer „aus Versehen“ passiert und von der Stärkeren scheinbar unbeachtet bleibt.

Immer wieder aus Versehen

Wir haben Regina Weissenstein von der psychologischen Beratungsstelle für Familie und Jugend des Landeskreises Esslingen gefragt, wie lange Eltern solch einer Situation zuschauen sollen. „Wenn für ein schwächeres Kind Gefahr besteht, ist ein schnelles Einschreiten von Erwachsenen wichtig“, erklärt sie. Zum Beispiel, wenn die Leine des „Hündchens“ um dessen Hals gebunden wird, das Werfen von Steinen oder das Schubsen vom Klettergerüst. Dabei sollte man vermeiden, das stärkere Kind körperlich anzugreifen, so Weissenstein.

Es könne aber auch hilfreich sein, zunächst zu beobachten. Denn Rollenspiele sind für alle beteiligten Kinder eine wichtige Chance zum Lernen sozialer Kompetenz. Wenn das Kind zu schnell aus der schwierigen Situation geholt werde, lerne es nicht, Konflikte selber gut zu lösen. Eine Umleitung des Spiels zum Beispiel durch den Einbau weiterer hilfreicher Rollenfiguren wäre in so einem Fall förderlicher.

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Der Kampf um die Schaufel

Wenn geteilt werden muss, wird es oft kompliziert. Das eine Kind wartet, das andere hört nicht auf zu schaukeln. Selbst ein mutiges „Ich will auch mal“ hilft nicht. Eltern können die Stimme des Kindes durch Wiederholung verstärken oder es ermuntern, nochmal laut zu sagen, was es möchte, schlägt Weissenstein vor. Sie könnten auch mit beiden Kindern auf Augenhöhe ein Zeitkontingent zur Nutzung der Schaukel aushandeln. „Wichtig ist, dass Kinder außerhalb dieser überfordernden Situation positive soziale Erfahrungen machen.“ Zum Beispiel, beim nächsten Spielplatzbesuch oder auch wenn zu Hause kindgerechte Mitsprache ermöglicht wird, könne ein Kind die eigenen Handlungsmöglichkeiten einüben und erweitern.

Eltern gegen Eltern

Mehrere Kinder von hinten. Sie stehen in Winterklamotten auf einem Zaun, der einen See abgrenzt.

Ungemütlich wird es, wenn „Verteidiger-Eltern“ zur Seite ihres Kindes stehen. Wie sollen wir mit ihnen umgehen, fragen wir die Beraterin. Eltern können auch für andere Eltern eine Vorbildfunktion haben, indem sie vermeiden, ebenfalls in eine Verteidigungsposition zu gehen und gemeinsam versuchen, einen Kompromiss zu finden, sagt sie.

Sollte die Situation nicht lösbar sein, sollte man dem eigenen Kind neutral erklären, warum man sich zurückzieht und dessen Aufmerksamkeit auf ein anderes Spiel umleiten. „Wenig hilfreich ist es, über andere Eltern und deren vermuteten Erziehungsstil zu urteilen oder diese dafür anzugreifen“, mahnt Weissenstein.

Die „Täter-Kinder“

Meist achten wir darauf, dass das eigene Kind gerecht mit den anderen umgeht. So tut es besonders weh, Klagen über sein Verhalten zu bekommen. Dann wäre hilfreich, das „Täter-Verhalten“ in der Situation anzusprechen: „Ich habe gesehen, die Schaufel war dir besonders wichtig. Das Kind, dem du die Schaufel weggenommen hast, hat sich nicht wohlgefühlt. Hast du das bemerkt?“

Auch ein Gespräch mit unbekannten Eltern könne Wege bereiten für einen besseren Umgang mit schwierigen Situationen. Außerhalb dieser Situationen unterstützen Eltern ihr Kind, indem sie es positiv anerkennen, wenn es teilen kann. Nicht hilfreich sei, das Kind andauernd kritisch zu beobachten und zu ermahnen.