Kindergartenkinder sitzen auf einer Bank.
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Start in den Kindergarten

01.09.2019

Nach den Sommerferien beginnt für viele Kinder und Eltern eine neue, spannende Zeit: die Kindergartenzeit. Oft der erste größere Schritt in die Selbstständigkeit des Kindes. Und oft die erste Trennung von Kind und Eltern. Klar, dass das beiden Seiten schwer fallen kann – aber nicht muss!

Die meisten Kinder, die kurz vor dem Kindergartenanfang stehen, können es kaum erwarten, freuen sich und berichten stolz darüber, dass sie schon so groß sind und bald in den Kindergarten kommen. „Ich bin bald ein richtiges Kindergartenkind!“, strahlt Fraja, zweieinhalb Jahre alt, mit funkelnden Augen. „Bei uns wird die kommende Eingewöhnung sehr wahrscheinlich einfach“, lacht Frajas Mama. Allerdings, so erzählt die Mama, war es bei Frajas Bruder ganz anders. „Noah war eher ängstlich und auch ein sehr schüchternes Kind. Er wollte überhaupt nicht gerne in den Kindergarten.“ Zum Glück hatten sie eine super Eingewöhnung und Noah ist nach ein paar Wochen ein glückliches, selbstbewusstes Kindergartenkind geworden.

Aber was ist eine gute Eingewöhnung? Wie kann ein Einstieg in einen laufenden Kindergartenalltag sanft und unaufgeregt verlaufen? Schließlich ist dort alles neu, eine neue Umgebung, neue Kinder, große Kinder, laute Kinder, unbekannte Erzieher.

Aller Anfang ist neu

Dazu kommen verschiedene Erwartungen an die Eingewöhnung. Da ist das Kind, das sich freut, ängstlich ist oder aufgeregt. Das sich gar nicht vorstellen kann, was es wirklich bedeutet, von jetzt an jeden Tag in den Kindergarten zu gehen. Die Eltern, die sich zwar freuen, oft aber auch wehmütig sind. Sie hoffen, dass ihr Kind nicht weint, dass es nicht traurig ist, wenn es in den Kindergarten geht, gehen muss. Und dass die Erzieher nett und liebevoll sind, dass sie Zeit haben, auf die Bedürfnisse ihres Kindes einzugehen und dass der Kindergarten ein guter Kindergarten ist – oft ist es ja nicht der Wunschkindergarten. Und dann sind da die Erzieherinnen, die hoffen, dass sich gute Eltern-Erzieher-Kind-Teams bilden, dass sie genug Zeit für die Kinder haben, die neu eingewöhnt werden und genug Zeit für die „großen“ Kinder, die im neuen Kindergartenjahr auch erst wieder  ihre neue Rolle finden müssen.

„Das Loslassen ist für Eltern oft hart“, erklärt Anna Katharina Soppa, Einrichtungsleiterin der Kindertagesstätte Wernhalde. „Es ist einfach eine Kinder- und auch Elterneingewöhnungszeit!.“ Für Soppa ist für den Start ins Kindergartenleben das Wichtigste, dass von Elternseite ein Vertrauensvorschuss mitgebracht wird. „Denn, ganz klar, du gibst als Eltern das Wertvollste in die Hände des Kindergartens“, sagt Soppa, „und als Erzieher weiß man das und schätzt das sehr.“ Für ein gutes Ankommen ist gegenseitiges Vertrauen das A und O. „Wenn Eltern Fragen haben oder es ein Thema gibt, über das sich die Eltern Gedanken machen, ist es immer gut, uns sofort darauf anzusprechen“, beschreibt Bettina Ho, Erzieherin im St. Konrad Kindergarten in der Sonnenbergstraße. „Denn dann können wir gemeinsam eine gute Lösung finden. Eine gute Partnerschaft zwischen den Eltern und den Erziehern, ein Team zu werden, sich auszutauschen, das ist wirklich wichtig.“

Das Wertvollste abgeben

Und je entspannter man in den Tag startet, umso unaufgeregter kommt man am Kindergarten an. Um ohne zu viel Stress aus dem Haus zu kommen, hilft es sicher, dass man sich morgens eine gewisse Struktur überlegt und ein gemeinsames Ritual findet. Zum Beispiel kann das Kindergartenkind immer beim Vesper einpacken helfen und danach verlässt man das Haus. Oder man trinkt zusammen noch einen Kaba, bevor man geht. „Für die Eltern und für uns Erzieher ist es das Schönste, zu sehen, dass die Kinder glücklich sind und gerne in den Kindergarten gehen“, sagt Ho. Und klar, Eltern und Kind sollten sich auf die Kindergartenzeit freuen. „Wenn du als Eltern positiv bist und dich freust, auch wieder Zeit für dich selbst zu haben und selbst wieder etwas vorhast, umso besser ist es für das Kind“, bestätigt Soppa. 

Struktur und Rituale helfen

„Bei uns lernen die Kinder den Einstieg über den rhytmisierten Tagesablauf, durch die gleichbleibenden Rituale. Dadurch bekommt der Tag für das Kind eine Struktur, und das Kind bekommt Halt und Sicherheit“, erklärt Soppa. „Während der Eingewöhnungszeit sind die Eltern unser Gast. Sie sind bei allem mit dabei und sollen sich genauso bei uns wohl fühlen. Während der Eingewöhnungszeit möchte ich, dass die Eltern mit dabei sind. Ich verteile auch Aufgaben und binde die Eltern mit ein, sie dürfen zum Beispiel Obst schneiden und mit in den Wald.“

Die Wernhalde ist eine Waldorf-Kindertageseinrichtung und ein integrativer Sonderschulkindergarten. „Auch bei uns im St. Konrad Kindergarten mit der katholischen Kirche als Träger gibt der klare Tagesablauf den Kindern einen Rhytmus“, erzählt Ho.

„Bei uns gibt es eine gemeinsame Begrüßung, Kreisspiele, Frühstück. Mama oder Papa dürfen dabei sein. Und auch in der folgenden Freispielzeit dürfen sich die Eltern dazu setzen.“ Im St. Konrad Kindergarten sind alle Erzieherinnen gemeinsam für das Kind da. Die Kinder dürfen selbst wählen, von wem sie sich beispielsweise wickeln lassen wollen. „Das ist ja etwas sehr Intimes und es ist verständlich, dass sich nicht jedes Kind von jedem Erzieher wickeln lassen möchte“, so Ho.

„Nach und nach wird langsam versucht, die Distanz zwischen Kind und Eltern zu vergrößern. Ein großer Schritt für alle ist es, wenn die Eltern in unserem Büro, im Raum nebenan, sitzen“, beschreibt Ho. „Die erste richtige Ablösung kommt, wenn sich die Eltern während der Freispielzeit für eine halbe Stunde verabschieden“. Wann dieser Zeitpunkt der ersten Ablösung ist, ist von Kind zu Kind verschieden. „Das Kind gibt einem immer eindeutige Signale, ob es bereit ist für die erste Ablösung oder eben noch nicht“, sagt Ho. Für alle Beteiligten ist es sicher entspannter, wenn es während der Eingewöhnungszeit keinen Zeitdruck gibt. „Aber das nicht jeder diese Zeit hat, ist ja ganz klar. Viele Frauen und Männer müssen wieder anfangen zu arbeiten, dann gibt es eben ein genaues Zeitfenster für die Eingewöhnung“, erklärt Ho.

„Durch die Gespräche mit den Eltern wissen wir, wieviel Zeit wir für welches Kind für die Eingewöhnung haben. Dann können wir gezielt darauf achten, einen sehr intensiven Kontakt zu den Kindern aufzubauen, bei denen die Eingewöhnung in einem engeren Zeitfenster stattfindet. Das hat immer sehr gut geklappt.“ Wirklich wichtig ist einfach das gegenseitige Zu- und Vertrauen. „Das Weinen zum Abschied ist meistens vor allem für die Eltern schlimm. Damit sich die Eltern nicht den ganzen Tag fragen, wie es wohl ihrem Kind geht, rufen wir die Eltern gerne nach kurzer Zeit an, erzählen, wie schnell der Trennungsschmerz vergessen war, was das Kind gerade macht und dass es ihm sehr gut geht. Nach diesem Telefongespräch können dann auch die Eltern entspannt in ihren Tag starten“, beruhigt Ho.

„Wie schön, wenn die Kinder angekommen sind“, freut sich Soppa, „man merkt, wenn es so weit ist und sich die Kinder auf den Kindergartentag ohne Eltern einfach freuen.“ Wenn die Eltern stolz sind, dass ihre Kinder Kindergartenkinder sind, wenn die Erzieherinnen eine fröhliche Grundhaltung haben und sich auf die Kinder freuen und wenn die Kinder merken, dass die Erzieherinnen für sie da sind, sie bestärken und auf sie eingehen, dann steht einer wunderbaren Kindergartenzeit nichts im Wege. 

Klar, sind Schnuppertage eine gute Sache, damit Eltern und Kind den Kindergarten und die Erzieher schon mal gesehen haben. „Ich habe einen einfachen Trick, um das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken. Ich schaue, was sie gut können und gerne machen und unterstütze sie dabei“, erklärt Ho. „Werden die Stärken des Kindes gefördert, kann es Selbstvertrauen aufbauen, hat Spaß und ist glücklich.“ Und wer glücklich ist, ist auch offen für Neues.

„Wir gehen das ganze Jahr über jeden Tag nach dem Frühstück mindestens eine Stunde in den Wald, er ist unser bester Erzieher und dazu noch kostenlos“, lacht Soppa, „Unsere Kinder lieben den Wald zu jeder Jahreszeit, da sie dort völlig frei sind und sich viel bewegen können. Das hilft auch den neuen Kindern beim Ankommen.“ Und mehr braucht es nicht zum Glücklichsein!