Als Mutter von drei Söhnen im Alter von drei bis sieben Jahren kann ich nicht nur ein Lied von Geschwisterstreit singen, sondern auch über das Gefühl berichten, permanent überfordert zu sein. Umso gespannter war ich, zu erfahren, inwiefern aktuelle Neuerscheinungen von Expertinnen mit Neuigkeiten und praktikablen Alltagstipps aufwarten würden.

Katja Seide und Danielle Graf, Autorinnen des berühmten „Wunschkind“-Blogs und einiger Ratgeber mit demselben Titel haben 2020 ein Geschwisterbuch veröffentlicht. Ein anderer Titel zum Thema von 2018 stammt von Nicola Schmidt und trägt den ansprechenden Titel „Geschwister als Team“. Nach den genannten Autorinnen haben wir Eltern durchaus Einfluss auf die Entstehung einer gleichberechtigten Beziehung, wenn wir möglichst gleichermaßen feinfühlig auf die Bedürfnisse einzelner Geschwister reagieren.

Geschwisterkrise

Graf und Seide erörtern anhand anschaulicher alltäglicher Beispiele, wie unterschiedlich die nachgeburtliche Geschwisterkrise aussehen kann. Erstgeborene fühlen sich oft durch die Geburt des Geschwisterchens zurückgesetzt und buhlen um die Aufmerksamkeit der Eltern. Schmidt erklärt ausführlich, wie gewöhnlich dieses Verhalten von Kindern ist, das durch die Evolutionsgeschichte erhalten blieb. Beruhigt hat mich, dass nach den erstgenannten Autorinnen auch rebellisches Verhalten als Ausdruck von Angst und Verunsicherung nicht selten vorkommt.

Sie mahnen an, dass Eltern unbedingt solche Kinder auffangen sollten, auch wenn ihr Verhalten „schwierig“ sei. Es hänge vom Temperament ab, wie Kinder auf Krisen reagieren würden, auch rebellische Kinder würden in erster Linie einen Mangel an Aufmerksamkeit zum Ausdruck bringen. Ich gebe zu, dass ich mich an einigen Stellen des Buches schlecht gefühlt habe, weil mir wiederholt meine Fehler vor Augen geführt wurden.

Schmidt, Nicola: Geschwister als Team. Ideen für eine starke Familie, München 2018 (Kösel-Verlag), ISBN 978-3-466-31104-0, 18 Euro

Andererseits haben mich Graf und Seide aber daran erinnert, dass es manchmal auch nur um Kleinigkeiten geht, beispielsweise darauf zu achten, dass nicht immer das gleiche Kind warten und seine Bedürfnisse zurückstellen muss. Eine imaginäre Strichliste, wie oft man ein Kind im Laufe des Tages zurückgewiesen habe, könne helfen, mehr auf eine Gleichberechtigung unter Geschwistern zu achten. Und dies zahle sich aus: Je mehr man auf die geäußerten Bedürfnisse angemessen reagiere, umso schneller würde sich die Krise in Luft auflösen. Ein Jahr könne es aber gut dauern, bis die neue Familie zusammengewachsen ist.

To-dos und Don´ts

Nicola Schmidt fasst am Ende ihres Buches die wichtigsten To-dos und Don´ts für Eltern zusammen. Solle unter Geschwistern eine gleichberechtigte Beziehung entstehen, sollten Eltern vor allem darauf achten, ihre Kinder nicht zu vergleichen und sie damit in ungünstige Rollen drängen. Wer bei Streitereien regelmäßig Partei ergreife, würde damit schnell ein schwarzes Schaf unter Geschwistern küren. Sie rät außerdem Eltern, möglichst nicht auszurasten, da wir doch unseren Kindern eigentlich zeigen wollten, wie sie starke Gefühle selbst regulieren können. Sie gibt einige Tipps, was Eltern tun können, um mit sich ins Reine zu kommen und im Alltag gelassen und achtsam zu bleiben.

Für meinen Geschmack könnten beide Publikationen mehr darauf eingehen, wie es Eltern im Alltagsstress schaffen können, konsequent einen langen Atem zu haben. Um das rauszufinden, muss ich vielleicht andere Bücher lesen oder meinen gefühlten Perfektionismus relativieren. Beide Autorinnen geben auch Tipps für besondere Konstellationen, beispielsweise für Patchwork-Familien oder Familien mit in irgendeiner Form benachteiligtem Kind. 

Graf, Danielle; Seide, Katja: Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn. Das Geschwisterbuch, Weinheim 2020 (Beltz), ISBN 978-407-86578-6, 17,95 Euro