So finden Eltern das passende Feriencamp

24.02.2025

75 Ferientage haben Schulkinder in Baden-Württemberg im Jahr. Was die Kinder freut, treibt berufstätigen Eltern nicht selten die Schweißperlen auf die Stirn. Denn spätestens in den langen Sommerferien steht bei vielen die Frage im Raum: Wo die Kinder unterbringen, wenn der Sommerurlaub der Eltern aufgebraucht ist und sie wieder arbeiten müssen? Feriencamps gibt es wie Sand am Meer. Doch worauf sollten Eltern bei der Auswahl achten und was tun, wenn die Kleinen Heimweh haben?

Reiterferien, Sprachreisen, Zeltlager, Fußballcamp... Wer nach Feriencamps googelt, wird förmlich von Angeboten erschlagen. Sich im Dschungel der Anbieter zurechtzufinden, ist da gar nicht so einfach. Eine erste Anlaufstelle kann das BundesForum für Kinder- und Jugendreisen e.V. sein. Hier haben sich bundesweit tätige Verbände, Träger und Organisationen aus dem Bereich der Kinder- und Jugendreisen zusammengeschlossen und verpflichten sich, einen umfassenden Qualitätskriterien-Katalog einzuhalten.

„An erster Stelle stehen Schutz, Sicherheit  und das Wohlbefinden der Kinder“, sagt Dennis Peinze, Geschäftsführer beim BundesForum für Kinder- und Jugendreisen. Wichtig sei zum Beispiel, dass Betreuerinnen und Betreuer eine fundierte Ausbildung bekommen haben. Diese Ausbildung sollte laut Peinze unter anderem Erste Hilfe, Konfliktmanagement, Kenntnisse über gruppendynamische Prozesse und pädagogische Kompetenzen umfassen. Auch ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis von den Mitarbeitenden sollte bei seriösen Anbietern vorliegen.

Im Gemeinwohlbereich bürgt die sogenannte Jugendleitercard (Juleica) für die Qualität der Ausbildung. An diesem Standard würden sich aber mittlerweile auch die privaten Anbieter orientieren, so Peinze.  Seriöse Anbieter erkenne man daran, dass sie alle Details zur Reise transparent machen und über die Ausbildung der Mitarbeiter und das pädagogische Konzept Auskunft geben. „Viele Anbieter machen auch vor den Camps Informationsveranstaltungen für Eltern, bei denen auf gezielte Fragen eingegangen wird“, sagt der Geschäftsführer des BundesForums Kinder- und Jugendreisen. Eine Hilfestellung bei der Auswahl des Feriencamps können außerdem Qualitätssiegel sein. Diese zeigen, dass sich Anbieter verpflichten, bestimmte Qualitätskriterien einzuhalten. Solche Qualitätssiegel vergeben zum Beispiel das BundesForum für Kinder- und Jugendreisen, das Reisenetz - Fachverband für Kinder- und Jugendreisen oder der Fachverband Deutscher Sprachreisen und Sprachreise-Veranstalter.

Frühzeitig buchen

Die günstigeren Angebote für Feriencamps findet man meist bei öffentlichen Einrichtungen oder Familienbildungsstätten. Oft bieten auch Sportvereine oder Kirchengemeinden Freizeiten an. Mit Kosten von 400 bis 500 Euro für eine Woche müssen Eltern in jedem Fall rechnen. Soll es ins Ausland gehen, kann es auch schnell teurer werden. Hier lohnt es sich, frühzeitig zu buchen und nicht erst kurz vor den Sommerferien.

Wer sich frühzeitig kümmert, hat auch noch genügend Zeit, um Freunde oder Freundinnen des Nachwuchses mit an Bord zu holen. Vor allem für Kinder, die dem Ferienlager eher ängstlich entgegensehen, kann das sehr hilfreich sein. „Mit einer Freundin auf den Ferienhof fahren, ist viel schöner als alleine“, sagt Inés Brock-Harder vom Bundesverband für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie.

Grundsätzlich geht sie davon aus, dass man Kinder ab der zweiten Grundschulklasse guten Gewissens in ein Feriencamp schicken kann. „Dann haben die Kinder schon ein Schuljahr hinter sich, kennen die Atmosphäre in einer Schulklasse und haben Erfahrungen mit Gruppendynamiken unter Kindern gesammelt“, so die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin. Aber natürlich sei das auch individuell von Kind zu Kind unterschiedlich. Kinder mit Geschwistern würden sich oft leichter tun mit solchen Erfahrungen. 

Zeit ohne Eltern fördert Selbstbewusstsein

In der Regel sei es aber so, dass selbst Kinder, die anfangs wenig begeistert waren von der Idee des Feriencamps, den Abschiedsschmerz schon bald vergessen hätten und die Neugierde überwiege. „Meistens können sich die Kinder gut darauf einlassen“, so Brock-Harder. Schließlich seien die Feriencamps so gestrickt, dass die Kinder in Freizeitbeschäftigungen eingebunden sind, etwas Besonderes erleben und neue Erfahrungen sammeln.

Gerade dieser Erfahrungsschatz unabhängig von den Eltern sei sehr wichtig für die Kinder. „Besonders im Grundschulalter profitieren Kinder von anderen Erwachsenen und ihrer Peergroup“, sagt Brock-Harder.

Aber was, wenn das Kind dann doch Heimweh bekommt? Heimweh sei in so einer Situation ganz normal, so Brock-Harder. „Wenn ein Kind abends mal weint und die Eltern vermisst, ist das kein Grund zur Sorge.“ Im Gegenteil: Für das Kind sei es eine Chance, sich weiterzuentwickeln. Schließlich gehöre es zur Entwicklung dazu, zu lernen, solche geplanten Abschiede auszuhalten und seine eigenen Emotionen in so einer Situation zu regulieren.

Kuscheltier oder Tagebuch einpacken

Brock-Harder rät den Eltern außerdem, nicht zu oft Kontakt zum Kind aufzunehmen. „Wer ständig beim Kind über das Handy nachfragt, wie es geht, holt das Kind gedanklich immer wieder zurück und erschwert das Ankommen.“ Eltern dürften sich darauf verlassen: So lange das Kind sich nicht meldet, ist meistens alles in Ordnung. Genauso wenig sollten Eltern das Kind beim ersten Heimweh oder Unwohlsein abholen. „So nehmen sie dem Kind die Chance, diese Herausforderung zu meistern und an Selbstbewusstsein zu gewinnen“, erklärt Brock-Harder. Und natürlich kann man dem Heimweh präventiv vorbeugen, indem das Kind etwas Vertrautes von Zuhause mit ins Feriencamp nimmt. Das kann Musik sein, aber auch ein Tagebuch oder das geliebte Kuscheltier.

Mädchen hält ein Kuscheltier im Arm

Und was wenn das eigene Kind einfach so gar keine Lust hat auf Ferienlager oder die eigenen Eltern es ihm noch nicht zutrauen? Dann lohnt es sich zu schauen, welche Tagesangebote es im und um den eigenen Wohnort gibt. So sind die Kinder tagsüber betreut und erleben etwas, können aber abends doch wieder im vertrauten Bett einschlafen.

Neben der Frage nach dem Heimweh, beschäftigt viele Eltern auch die Sorge vor Übergriffen in Feriencamps. Erst im vergangenen Sommer hatte die Berichterstattung des SWR Investigativformats „Vollbild“ über Missstände bei einem kommerziellen Anbieter von Feriencamps für Schlagzeilen gesorgt. So wurde unter anderem über zwei Fälle von sexuellem Missbrauch berichtet. Eine schreckliche Vorstellung für alle Eltern. Aber wie kann man die eigenen Kinder schützen? Abgesehen von der sorgfältigen Auswahl des Anbieters, könne man die Kinder schützen, indem man ihnen von klein auf beibringe, ihre eigenen Grenzen zu wahren, nein zu sagen und sich mitzuteilen, wenn ihnen etwas komisch vorkommt, rät Inés Brock-Harder. „Damit kann man natürlich nicht vierzehn Tage vorher anfangen.“ Die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin versichert aber auch, dass es keinen Grund für übermäßig große Sorgen vor solchen Übergriffen in Feriencamps gibt. „Die meisten Missbrauchsfälle passieren immer noch in der Familie. Die Anzahl von Missbrauchsfällen im Fremdkontext ist nicht angestiegen.“

Schutzkonzept gegen Missbrauch

Ein guter Kinder- und Jugendreiseanbieter sollte dennoch ein sogenanntes Schutzkonzept haben, schreibt das Bundesfamilienministerium auf der Website der Kampagne „Kein Raum für Missbrauch“.  Ein solches Schutzkonzept legt unter anderem einen Verhaltenskodex für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen fest und beinhaltet einen Notfallplan, der festlegt, was passiert, sollte es einen Verdacht von sexuellem Missbrauch geben.

Die Kinder ziehen lassen und für eine oder sogar zwei Wochen die Kontrolle abgeben: Auch für Eltern ist das meist gar nicht so einfach. Und trotzdem: Sorgfältig und mit Bedacht ausgewählt können Ferienlager eine echte Bereicherung für die Familie sein. Die Eltern können ohne Stress zur Arbeit gehen und einen ruhigen Feierabend genießen, während die Kinder neue Freunde finden, Abenteuer erleben und mit schönen Erinnerungen  - und vielleicht auch ein bisschen selbstbewusster - nach Hause kommen.

Tipp

Auf der Website des BundesForums für Kinder- und Jugendreisen e.V. hashtag-q.de finden Eltern eine detaillierte Check-Liste mit Kriterien für die Auswahl von Feriencamp-Anbietern. Außerdem gibt es einen Überblick über verschiedene Qualitätssiegel für Kinder- und Jugendreisen.