Smartphones an Schulen führen oft zu Spannungen und Konflikten. Nun schafft die Landesregierung gesetzliche Vorgaben: Alle Schulen im Land sollen künftig verbindliche Regeln für die private Nutzung mobiler Endgeräte erlassen. Dafür gibt es Musterregelungen und pädagogische Empfehlungen vom Kultusministerium.

Baden-Württemberg regelt die private Handynutzung

Einige Bundesländer haben bereits Regelungen zur Handynutzung an Schulen erlassen, andere überlassen dies den Schulen. Bisher konnten Schulen in Baden-Württemberg Handy-Regeln bestimmen, mussten aber nicht. Ab dem Schuljahr 2025/26 ist jede Schule verpflichtet, genau festzulegen, wie, wann und ob Handys, Smartwatches oder Tablets im Schulalltag privat genutzt werden dürfen. Spätestens zum Beginn des Schuljahrs 2026/27 sollen Schulen über eine gültige Regelung verfügen.

Studien beweisen immer wieder, dass Smartphone-Verbote an Schulen sich positiv auf das soziale Wohlbefinden und die Lernleistungen der Schüler auswirken. Pilotprojekte, in deren Rahmen das Verbot ausprobiert wurde, bestätigen dies.

Keine private Smartphonenutzung während Unterricht und Pause

Mädchen schaut unter ihrer Schulbank auf ihr Handy im Unterricht.
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Die Regelung der Handynutzung sei Teil einer modernen Pädagogik, betont auch Bildungsstaatssekretärin Sandra Boser. Die digitalen Kompetenzen der Kinder sollen dabei nicht beeinträchtigt werden. Digitale Geräte im Unterricht, unter Anleitung der Lehrkraft, bleiben erlaubt. Nur privat, in Pausen, in der Hausaufgabenbetreuung und auf dem Schulhof soll die Nutzung eingeschränkt werden.

Nach Schulschluss hilft keine Schulordnung mehr – darauf muss die Schule vorbereiten“, sagt Ministerpräsident Kretschmann. Dazu soll das neue Pflichtfach „Informatik und Medienbildung,“ ab dem kommenden Schuljahr an allen weiterführenden allgemeinbildenden Schulen eingeführt werden. Die Medienbildung wird lebensweltorientier anhand altersadäquater Themen vermittelt, damit Schülerinnen und Schüler mit den Herausforderungen der digitalen Welt zurechtkommen, erklärt Vanessa Kilbertus vom Kultusministerium. KI, Fake News, Echokammern, Hatespeech, Verschwörungstheorien, Demokratiebildung werden unter anderem thematisiert, Herausforderungen und Risiken bearbeitet und kritisches Hinterfragen, Fakten- und Quellenbewertung als Kompetenzen angestrebt.

Reaktionen

Lehrer- und Elternvertreter äußern Bedenken. Der Landeselternbeirat sieht die Pläne als nicht weitreichend genug. „Wenn die Nutzung aus sozialen Gründen eingeschränkt werden soll, dann sollte das landesweit gelten – unabhängig davon, ob auf dem Land oder in der Stadt“, meint Vorsitzender Sebastian Kölsch. Für viele Schulen sei es mühsam, eigene Regelwerke zu erstellen und diese in Schulkonferenzen abzustimmen. Spricht man mit Schülerinnen und Schülern, stößt man nicht unbedingt auf Begeisterung. Unterschiedlichste Argumente werden angebracht: „Ich muss wissen, was meine Freunde jetzt machen, ich werde meinen Bus verpassen, meine Eltern können mich nicht erreichen.“

Gleichzeitig schimmert die Einsicht einer Gymnasiastin in der Oberstufe durch, die immer ihr Smartphone dabei hat. „Stell dir vor, das Handy in der Schule wäre nicht verboten. Wie würde es dann hier aussehen? Alle würden nur glotzen“. Damit ist sie mit Jonathan Haidt - Professor für Sozialpsychologie an der New York University einer Meinung. Er ist bekannt für seine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle von Smartphones in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Seine Bücher sind auf der Bestsellerliste in den USA und in Deutschland.

In einem kurzen Interview zum Thema sagte er: „Stellen Sie sich vor, für diejenigen, die vor dem Internet zur Schule gegangen sind, man würde eine Regel erlauben, dass Sie Ihren Fernseher, Ihr Walkie-Talkie und Ihren Kassettenrekorder mitbringen und während des Unterrichts auf den Tisch stellen und einschalten. Es ist komplett verrückt, aber das ist es, was wir gemacht haben.“

"Smartphonefreier Schulhof?“ - Ein Gespräch mit Dr. Isabel Brandhorst

Die Psychologin und Psychotherapeutin am Universitätsklinikum Tübingen, Dr. Isabel Brandhorst, leitet dort eine Forschungsgruppe zu Internetnutzungsstörungen im Kindes- und Jugendalter. Im Rahmen des Projekts „Smartphonefreier Schulhof?“ untersucht sie die Auswirkungen von Smartphone-Nutzung an Schulen – und ob ein Verbot sinnvoll sein könnte. Im Interview spricht sie über erste Studienergebnisse, die Haltung von Schulpersonal und Schülerschaft zu einem möglichen Verbot und plädiert für altersgerechte und gemeinsam entwickelte Lösungen.

Frau Dr. Brandhorst, würden Sie ein Handyverbot an Schulen begrüßen?

Ich würde ein Smartphone-Verbot an Grundschulen begrüßen. Der Vorteil wäre, dass der soziale Druck reduziert werden würde, Kinder zu früh mit internetfähigen Geräten auszustatten.

Sollte es auch ein gesetzliches Handyverbot geben?

Nein, das geht aus meiner Sicht zu weit. Sie führen im Rahmen des Projekts „Smartphonefreier Schulhof?“ eine Meinungsumfrage durch.

Gibt es schon erste Erkenntnisse?

64,5 Prozent des Schulpersonals ist für ein Smartphone-Verbot in Schulen. Lehrkräfte sehen mehr Ablenkung durch Smartphones im Unterricht, als Schülerinnen und Schüler das bei sich wahrnehmen. Beim Schulpersonal spielt das Alter der Person keine Rolle. Das Schulpersonal sieht viele negative Auswirkungen durch die Smartphone-Nutzung bei Schülerinnen und Schüler, zum Beispiel negative Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl, die psychische Gesundheit, das Ausmaß persönlicher sozialer Interaktion, Bewegung und körperliche Aktivität, sowie das Lernverhalten der Schülerinnen und Schüler.

Was halten die Schülerinnen und Schüler von einem Verbot?

Hier gibt es extreme Meinungsunterschiede. 80,5 Prozent der Schüler/innen wollen das eher nicht oder auf keinen Fall. Aber: 75 Prozent der Schüler/innen wünschen sich dennoch Smartphone-Regelungen an Schulen. Ob Smartphones verboten werden sollen, ist bei Schülern und Schülerinnen eine Frage des Alters: ältere sind eher gegen ein Verbot.

Blonde Frau lächelt in die Kamera.
© Ole Heinrich

Dr. Dipl.-Psych Isabel Brandhorst ist Psychologin und Psychotherapeutin und leitet die Forschungsgruppe zu Internetnutzungsstörungen im Kindes- und Jugendalter am Universitätsklinikum Tübingen.

Im Rahmen des Projekts „Smartphonefreier Schulhof?“ forscht sie unter anderem daran, ob ein Handyverbot an Schulen sinnvoll ist, wie Smartphoneregelungen an Schulen umgesetzt werden und was die Schulgemeinschaft davon hält. Dr. Brandhorst wurde zuletzt mit dem Wolfram-Keup-Förderpreis für die Wirksamkeitsstudie zum Trainingsprogramm „Internetsucht: Eltern stärken!“ ausgezeichnet.

Wie sollte dann eine Smartphone-Regelung an den weiterführenden Schulen im besten Fall aussehen?

Dazu habe ich noch keine klare Haltung und denke, dass dies zwischen Experten und Experinnen, dem Schulpersonal und der Schülerschaft ausgehandelt werden müsste. Ich könnte mir altersabhängige Einschränkungen oder Smartphone-Zonen in der Schule für Ältere vorstellen.

Gibt es etwas, dass Sie als Expertin für dieses Thema den Schulleitungen, Schülern und Eltern gerne mitteilen würden?

Ich halte es für wichtig, die Schüler und Schülerinnen mit in die Diskussion und Berichterstattung einzubeziehen. Jede Maßnahme, die überlegt wird, braucht ein konkretes Ziel. Es sollte überprüft werden, ob die Maßnahme zur Zielerreichung beiträgt und ob andere Möglichkeiten als ein Verbot - zum Beispiel Schulung von Medienkompetenz - als Alternativen in Betracht kommen.