Schritte zu einer gesünderen Ernährung

01.06.2020

Jeden Tag selber kochen!

Mehrere Jahre hat sich der Wissenschaftsjournalist Bas Kast mit Studien zur gesunden Ernährung beschäftigt - die wichtigsten Inhalte dieser umfangreichen Recherche hat er in seinem Buch „Der Ernährungskompass“ zusammengefasst, das 2018 das Wissensbuch des Jahres war.

Low Carb, Low Fat, vegane Ernährung, Clean Eating, Paleo...die Vielfalt der Ernährungsempfehlungen der letzten Jahre verwirren uns Verbraucher mehr, als dass sie Orientierung geben. „Man weiß mittlerweile gar nicht mehr, was man noch essen soll“ ist ein Satz, den man immer wieder hört. Sind Kinder im Haus, wird die Sache nicht einfacher. Dann gilt es eine gute Balance zwischen gesunder, vitalstoffreicher Kost und den verschiedenen Geschmacksvorlieben der einzelnen Familienmitglieder zu finden.

„Zunächst war es nicht mein Plan, ein Buch zu schreiben“, berichtet der Autor. Nach einer heftigen Herzattacke beim Joggen und in der Folge zunehmender gesundheitlicher Probleme veränderte der bekennende Junkfood-Esser aber nach und nach seinen persönlichen Lebensstil. Er wollte es genauer wissen und recherchierte unter dem Begriff „Was soll ich essen, um mein Herz zu schonen“? Ein intensiver Einstieg in die Ernährungs- und Übergewichtsforschung war gemacht, der ihn erst viel später in dem Entschluss bestärkte, darüber ein Buch zu schreiben.

Mann steh in Küche und schaut in die Kamera
© Mike Meyer, aus: „Der Ernährungskompass - Das Kochbuch“ mit freundlicher Genehmigung des Bertelsmann-Verlags

Selber kochen mit echten Nahrungsmitteln

Bas Kast hat sich unter anderem mit den Regionen auf dieser Welt befasst, wo die Menschen ein ungewöhnlich hohes Alter erreichen und die 2005 zum ersten Mal als sogenannte „Blaue Zonen“ bezeichnet wurden. Zu den „Blauen Zonen gehören unter anderem bestimmte Gebiete in Sardinien, die zu Japan gehörenden Okinawa-Inseln oder die Ikaria-Inseln in Griechenland. Neben einem insgesamt stressfreieren Lebensstil, der Bedeutung von moderater Bewegung, dem hohen Stellenwert von Familie und sozialen und gesellschaftlichen Engagement, „essen Menschen in den Blauen Zonen allesamt echtes, naturbelassenes Essen, also Essen, das auch noch unsere Urgroßeltern als Nahrung erkannt hätten“, so Bas Kast.

Viele Studien würden darauf hinweisen, dass der zunehmende Konsum von verarbeiteten Lebensmitteln uns zunehmend dick und krank machen. Grund: Bei der Verarbeitung werden systematisch die Bestandteile entfernt, die uns eigentlich gut tun, wie zum Beispiel Ballaststoffe. Fehlen diese, werden unsere Darmbakterien nicht „satt“, es fehlt ihnen an „Futter“ und sie senden entsprechende Signale ans Gehirn. In der Folge essen wir mehr, als wir eigentlich sollten.

Ernährungspyramide

Zudem reichere die Nahrungsmittelindustrie so gut wie jedes Lebensmittel mit zu viel Zucker und Salz (und vielen anderen schädlichen Zusatzstoffen) an. Die im Fall von Zucker von der WHO empfohlene Menge von maximal 30 Gramm/Tag sei damit schnell überschritten und der Zuckerkonsum für den Verbraucher zudem schlecht kontrollierbar.

Gemüse ist das neue Fleisch und ein bisschen Fisch

Menschen der Blauen Zone nehmen allesamt eine überwiegend pflanzenbasierte Kost zu sich, saisonales Gemüse, aber auch viele Hülsenfrüchte. Nicht alle müssten jetzt zum Vegetarier werden, so Bas Kast. Aber: Fleisch sollte nicht die Hauptrolle in der Ernährung spielen, sondern eher als „Beilage“ gesehen werden, das ab und an verzehrt werden kann, aber nicht muss. Nach Studienlage gibt er hellem Fleisch (aus artgerechter Haltung) den Vorzug gegenüber „rotem“ Fleisch. Besonders schädlich sei der Konsum von verarbeiteten Fleischprodukten, wie Wurst, Schinken und Salami.

Ein Großteil der Befunde weise zudem darauf hin, dass regelmäßiger Fischkonsum (einmal pro Woche genügen), Alterungs- und Entzündungsprozesse in unserem Körper bremsen können. Als gesund gelten vor allem fettreiche Fische, wie Lachs, Makrele und Forelle. Sie weisen einen besonders hohen Anteil an gesunden Omega-3-Fettsäuren auf. (Diese seien aber auch in vielen pflanzlichen Quellen enthalten: zum Beispiel: Lein- und Chia-Samen, Walnüsse, Rapsöl).

Kohlenhydrate ja, aber…

Besonders wertvolle Kohlenhydratquellen erhält man über pflanzliche Kost in ihrer natürlichen Form: also Gemüse, Hülsenfrüchte, (ganzes) Obst. Eine Ausnahme macht er bei Kartoffeln, da bei ihnen nach dem Konsum die Blutzuckerwerte zu rasant ansteigen. Getreideprodukte wie Brot oder Nudeln könne man konsumieren (es sei denn man leide schon an einer Insulinresistenz, dann könne man von einer Low Carb-Ernährung besonders profitieren).

Entscheidend sei aber die Qualität der Kohlenhydrate: hierbei gibt er den Vollkornvarianten eindeutig den Vorrang. Besonders schädlich seien hoch verarbeitete Kohlenhydratquellen, insbesondere Zucker, aber auch Zucker in flüssiger Form, wie Säfte, Softdrinks, Limonaden.

Milch nur für Kinder

"Die Milch machts“ - ein Spruch, der sicherlich noch vielen von uns im Ohr liegt. Allerdings stellt der Autor fest, dass viele Studien, die der Milch ein positives Image bescheinigen, von der Milchindustrie gesponsert sind. Milch sei ein Wachstumsgetränk, von der Natur erfunden, um Säuglinge wachsen zu lassen. Erwachsene seien schon „erwachsen“. Bei ihnen führe der Milchkonsum zu einer erhöhten Zirkulation eines Wachstumshormons (IGF-1), das unter Umständen auch Krebszellen wachsen lassen kann. Allerdings gebe es bemerkenswerte Unterschiede zwischen Milch auf der einen und fermentierten Milchprodukten (Joghurt, Kefir, Käse..) auf der anderen Seite. Die Milchsäurebakterien bauen beim Fermentieren den Wachstumsfaktor ab, außerdem scheinen sich diese günstig auf unsere Darmflora auszuwirken. Insbesondere Joghurt wird eine gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt.

Fett macht nicht fett….

…wenn man auf das Richtige achtet. Heute sei klar, dass ein Teil der Fettsäuren, die wir zu uns nehmen, in unserem Körper zunächst gar nicht verbrannt werden, sondern in unseren Körper eingebaut werden. Die Hüllen unserer Körperzellen bestehen zum Beispiel hautsächlich aus Fettsäuren. Gute Fette, wie Olivenöl oder anderer pflanzliche Quellen und Fett aus fettreichen Fischen lockern die Zellhüllen auf, die daraufhin ihre Funktion besser erfüllen können. Unter anderem deshalb sind Omega-3-Fettsäuren so gesund.

Auch die Uhrzeit und Essenspausen sind wichtig

Wer das eine oder andere zu viel an Pfunden mit sich herum trägt, sollte beim Essen auch auf die Uhrzeit schauen. Laut Studienlage macht es offensichtlich doch einen Unterschied, wann ich eine Kalorie zu mir nehme. Die einfache Aussage „Eine Kalorie ist eine Kalorie stimme so nicht“, so Kast.

Der Mensch, der sich als biologischer Organismus im Laufe der Evolution einem bestimmten Tag-Nacht-Rhythmus angepasst habe, besitzt Gene, die je nach Tageszeit unterschiedlich aktiv sind. Die Leber und das Verdauungssystem ist zum Beispiel am frühen Morgen sehr aktiv, die Insulinempfindlichkeit ist morgens am Höchsten. Daher können zu dieser Zeit auch Kohlenhydrate am besten verarbeitet werden. Die Nacht ist dafür da, Reparaturprozesse im Körper hochzufahren. Zu viel Nahrungszufuhr am Abend verzögere diese „Autophagie“. Die alte Weisheit: „Morgens essen wie ein König, abends wie ein Bettler - scheint also durchaus seine Berechtigung zu haben.

Und nun?

Es lohnt sich, bei Interesse noch mehr in die Tiefe zu gehen - der Ernährungskompass bietet dazu eine Fülle an Informationen. Im „Kochbuch“ gibt es Rezepte, die sich auch auf den Familienalltag übertragen lassen. Die tägliche Portion gesunder Ballaststoffe kann man morgens mit einem kernigen Haferflockenmüsli decken oder man backt zusammen ein leckeres „Familienvollkornbrot“. Dazu gibt es tolle Rezepte für vegetarische Aufstriche. Hülsenfrüchte schmecken auch Kindern gut und warum nicht einmal ein leckeres Fischgericht mit Gemüse aus dem Backofen anbieten? Ernährungsberaterin Sabrina Dürr aus Esslingen betont: „Dieses pauschale „Mein Kind mag kein Gemüse“ ist nach meiner Erfahrung nicht haltbar. Mein Mann und ich haben gemeinsam 5 Kinder und natürlich mag jeder etwas anderes gerne und etwas nicht (Pilze, Spinat, gekochte Karotten etc.), aber man findet immer einen Kompromiss, wenn man einen suchen möchte. Das ist manchmal anstrengend, aber nicht jedes Kind schreit eben „Juhuu“, wenn es Erbsen essen soll.

Je weniger man aber ein Aufheben drum macht, desto weniger Macht bekommt das Thema Essen (gab es das früher? Hat man früher ständig geschaut, dass jedem der Familie alles schmeckt?). Dann wird eben das gegessen, was es gibt. Man mag es mal mehr und mal weniger und einzelne Sachen, die man zeitweise nicht mag, kann man problemlos aussortieren. Kinder haben einen höheren Energieumsatz, je mehr sie sich bewegen. Und umso mehr Beilagen (Nudeln, Kartoffeln etc.) können sie dann problemlos essen. Für ein schlankes Kind macht es energietechnisch keinen Sinn, Mengen von Gemüse zu essen. Für einen übergewichtigen Erwachsenen schon“.

Buchtipps

Der Ernährungskompass - Das Kochbuch

Bas Kast, , 111 Rezepte für gesunden Genuss, C. Bertelsmann 2019, 224 Seiten, UR 22,00, ISBN 978-3-570-10381-4

Der Ernährungskompass

Bas Kast, , C. Bertelsmann 2018, 320 Seiten, UR 20,0 ISBN 978-3-570-10319-7