Im Mai werden sie wieder gefeiert - die Mütter und die Väter! Denn dann sind ihre „offiziellen“ Gedenktage. Immer am zweiten Sonntag im Mai ist „Muttertag“, immer an Christi Himmelfahrt ist „Vatertag“. Wir haben uns abseits von Muttertagsherz und Bollerwagentrinkgelage Gedanken über die Situation von Müttern und Vätern gemacht. Wie klappt das Zusammenspiel in der Familie? Warum bringt es nichts, ein Mal im Jahr den Müttern Respekt für deren vielfältigen Aufgaben zukommen zu lassen und warum sind „bewusste“ Väter, die ihre Vaterrolle reflektieren, aber auch einfordern, immer noch in der Minderheit?

Den Artikel "Bewusste Vaterschaft - Was hindert Väter eigentlich am Vatersein?" findet ihr hier.

Attraktiv sollen Mütter sein und berufstätig, richtig Karriere machen lieber nicht. Auf keinen Fall nur Hausfrau sein, aber die gesamte Organisation rund um die Familie sollte Frau im Griff haben. Fremdbetreuung in Maßen, viel Zeit mit den Kindern verbringen. Sie brauchen ja vor allem die Mutter. Und dann am besten immer zugewandt, einfühlsam und aufmerksam sein. Wie schafft man es als Mutter eigentlich, bei all dem Stress noch Glück zu empfinden?

Mutter sitzt mit Sohn unter einem Baum. Sie flüstert ihm etwas ins Ohr. Das Kind lacht.

Auch in Nicht-Krisenzeiten ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine große Herausforderung. Bricht auf einmal die Betreuung weg, kann der Familienbetrieb nur noch durch ein hohes Maß an Improvisation vor dem Zusammenbruch bewahrt werden. Gerade Mütter, die Studien zufolge einen Großteil der zusätzlichen Sorgearbeit aufgefangen haben, stoßen häufig an ihre Grenzen. Das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern bei der Verteilung der Aufgaben ist teilweise auch nach Corona erhalten geblieben.

Die Soziologin Jutta Allmendinger spricht sogar davon, dass die Krise Frauen um Jahrzehnte zurückgeworfen habe. Als wären all die Anforderungen des Alltags nicht genug: Frauen stehen außerdem unter einem enormen Perfektionsdruck. Für eine echte Gleichberechtigung der Geschlechter bräuchte es politische Entscheidungen, auf die wir nur bedingt Einfluss haben. Wir Mütter können uns aber immerhin einige Steine aus dem Weg räumen, mit denen wir uns das Leben schwer machen.

Rollenbilder reflektieren

Um das Leben selbst zu gestalten, braucht eine Frau Kraft und ein gewisses Selbstbewusstsein. Gut ist sicherlich, wenn Frauen aktiv werden, bevor sie kurz vor dem Burnout stehen. Nicht jede Frau ist in ihren Entscheidungen frei. Aber manche sind es, was ein Privileg ist.

Susanne Mierau ist Kindheitspädagogin und Erfolgsautorin zu Erziehungsthemen. In ihrem Bestseller „Mutter.Sein“ regt sie zur Reflexion über die Mutterrolle an. Sie macht bewusst, aus welchen Puzzleteilen wir womöglich unser Bild einer guten Mutter konstruieren. Dabei zeigt sich auch, wie sehr dieses durch unsere Geschichte, die Politik, die Gesellschaft beeinflusst ist. Wir haben teilweise den Draht zu uns selbst verloren und führen unter Umständen ein Leben nach der Vorstellung anderer.

Dabei kann es viel angenehmer sein, so zu leben, wie es den eigenen Bedürfnissen entspricht. Sich mit dem eigenen Mutterbild näher zu befassen, kann nicht nur aufschlussreich sein, sondern auch echten Ballast von den Schultern nehmen. Die Autorin legt im Übrigen auch ausführlich dar, wie wenig an der Idee, dass die Mutter zwingend die primäre Bezugsperson sein sollte, dran ist.

Mental Load - an alles denken

Auch die genauere Betrachtung der Aufgabenverteilung innerhalb der Familie kann zu mehr Unbeschwertheit und Glück verhelfen. Selbst einige Frauen, die glauben, „gut dran zu sein“, weil der Mann ja viel „hilft“, haben meist noch die Möglichkeit einer Optimierung. Nach wie vor sind es schließlich die Mütter, die mehr Sorgearbeit übernehmen.

Patricia Cammarata und Laura Fröhlich, beide erfolgreiche Bloggerinnen und Autorinnen von Ratgebern zur Elternschaft, haben 2020 mit ihren Publikationen auf den „Mental Load“ aufmerksam gemacht. Dabei geht es vor allem um die vielen unsichtbaren Belastungen, die oft an den Müttern „hängenbleiben“. Dazu gehört beispielsweise, die Termine für die U-Untersuchungen im Blick zu behalten oder dafür Sorge zu tragen, dass die Kinder im Kindergarten ausreichend Windeln und Wechselkleidung vorrätig und täglich ein gesundes Vesper dabei haben.

Über solche kleinen Aufgaben wird selten gesprochen, jedoch sind sie so zahlreich, dass sie ein Grund für die abendliche Erschöpfung sein können, die sich Frau manchmal gar nicht erklären kann. Männer würden oftmals klar abgrenzbare Aufgaben übernehmen, wie beispielsweise das Auto zu reparieren, den Rasen zu mähen oder den Wocheneinkauf zu erledigen, erklärt Patricia Cammarata in einem Vortrag anlässlich des Equal Care Days, einem Aktionstag, der auf die mangelnde Wertschätzung und ungleiche Verteilung der Sorgearbeit aufmerksam macht.

Frauen dagegen hätten oftmals den Kopf voll an kleinen To Dos. Paaren rät sie, auch solche Aufgaben gleichberechtigt zu verteilen, weil dies einfach zu mehr Glück und Zufriedenheit in der Partnerschaft führe. Zunächst sollten die Aufgaben, beispielsweise durch einen Mental Load-Selbsttest auf equalcareday.de, sichtbar gemacht, dann über die Aufteilung gesprochen werden.

„Fragt man Frauen, wie sie mit der Aufgabenverteilung zufrieden sind, sagen viele: `Mein Mann hilft mit`. Letztendlich wird er mit solchen Aussagen aber nur zum Assistenten degradiert. Dabei sollten Eltern, die als Paar zusammenleben, eher als Doppelvorstand eines Familienunternehmens auftreten“, so Laura Fröhlich im Gespräch. Sie rät Eltern, sich neben ihrer Rolle als Paar unbedingt auch als Organisationsteam zu begreifen und sich in regelmäßigen Küchenmeetings über anstehende Aufgaben und aktuelle Termine zu verständigen. Dies gelte auch für die Paare, in denen einer in Elternzeit und der andere erwerbstätig ist. Dabei gehe es nicht nur um gleichberechtigte Teilhabe, sondern auch um mentale Entlastung der Frau, die oft die Familienorganisation weitgehend alleine übernimmt.

Küchen-Meetings

„Es ist dann auch nicht gleich dramatisch, wenn ein Elternteil wegen eines grippalen Infekts oder einer Geschäftsreise ausfällt“, ergänzt Fröhlich. Und letztlich sollte es doch auch zu mehr väterlichem Selbstbewusstsein beitragen, wenn der Mann nicht nur von der Frau delegierte Aufgaben ausführt, sondern selbst Verantwortung übernimmt. Beide Mental-Load-Autorinnen geben zahlreiche Tipps, wie wir uns den Alltag gerecht organisieren können. „Das muss nicht immer“, so Fröhlich, „eine 50:50-Aufteilung sein. Wichtig ist, dass beide Partner sich damit wohlfühlen.“

Mental Load hat seine Ursache nicht nur im Privaten. Auch strukturelle Voraussetzungen sind verantwortlich für Ungleichverteilung und Überlastung. Wie der Mann missverständlicher Weise bei der Hausarbeit „mithilft“, suggeriert die Einstellung weiter Teile der Gesellschaft der Frau, dass sie dies beim Geldverdienen tun würde. Die berufliche Gleichstellung der Frau wäre mehr als erstrebenswert für mehr Geschlechtergerechtigkeit.

Nina Stahr, Landesvorsitzende der Grünen in Berlin und dreifache Mutter, wertet in ihrem Buch „Die Krise ist weiblich“ Erfahrungen aus dem ersten Corona-Lockdown aus und schaut insbesondere auf die Herausforderungen der Mütter, die auch jenseits der Krise in abgemilderter Form bestehen. Corona habe nicht nur die Aufgaben von Müttern innerhalb der Kernfamilie schlagartig vervielfacht, sondern Frauen würden sich zusätzlich um andere bedürftige Familienmitglieder oder Freunde kümmern.

Anlässlich des Equal-Care-Days twitterte sie, dass strukturelle Änderungen den Wandel des Frauenbildes beschleunigen könnten, wie die endgültige Abschaffung des Ehegattensplittings, das es für manche Frauen attraktiv erscheinen lässt, weniger zu arbeiten. Politische Entscheidungen könnten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – gerade für Mütter - erleichtern. „In Schweden gehen Mütter und Väter beide sieben Monate in Elternzeit. Das sorgt für mehr Gleichberechtigung im Beruf, weil Männer genauso ausfallen, wenn sie eine Familie gründen“, gibt Stahr im Gespräch zu bedenken.

Mom-Shaming

Katharina Pommer, Autorin des Buches „Stop Mom-Shaming“ wünscht sich mehr Solidarität unter Müttern. Diese würden sich auch das Leben untereinander zusätzlich schwer machen.

Pommer beschreibt, was viele Mütter täglich erfahren: Andauernd werden sie dazu aufgefordert, sich für ihren Erziehungsstil oder Entscheidungen im Rahmen des Mutterseins zu rechtfertigen. Je mehr eine Mutter jenseits des Mainstreams handele oder je weniger ihr Kind massentauglichen Vorstellungen entspreche, desto mehr sei sie eine Zielscheibe für Mom-Shaming. Der englische Begriff steht für all die teilweise auch subtil geäußerten, unreflektierten und zumeist ungebetenen Attacken, die Mütter im Innersten treffen.

Dazu gehören auch selten neutral gestellte Fragen wie „Warum schläft Dein Kind (nicht) im Elternbett?“, „Warum hattest Du eine/keine PDA?“ oder „Warum hattest Du einen/keinen Kaiserschnitt?“. In den seltensten Fällen würden solche Fragen dazu dienen, mehr über das Gegenüber zu erfahren, schließlich hätten die Fragenden in der Regel längst die passende Antwort im Kopf.

Die Ursache für Mom-Shaming kann die permanente Überlastung durch zu viel Mental Load oder der Perfektionsdrang und die daraus resultierende Unzufriedenheit sein. Da kann eine andere Mutter ein wunderbares Ventil sein, um angestauten Frust zu entladen. Und je weniger selbstsicher Mütter seien, umso mehr würden sie Opfer des Mom-Shamings oder selbst zu „Shamerinnen“. Womöglich ist unsere Unsicherheit darin begründet, dass wir vor lauter Anforderungen von außen kein Gespür mehr dafür haben, wer wir selbst sind. Die anklagende Stimme müsse nicht unbedingt von außen kommen, so Pommer. Auch Schuldgefühle aus dem Innern, gespeist von hohen Erwartungen an die Mutterrolle, würden ähnlich wirken. Durch Social Media sei jede Frau besonders stark und zu jeder Zeit dem Mom-Shaming ausgesetzt. Schlimmer seien aber die Diffamierungen im beruflichen Kontext, denen man im Gegensatz zu den Social Media Kanälen nicht aus dem Weg gehen könne.

Sachbücher

  • Mierau, Susanne: Mutter.Sein. – Von der Last eines Ideals und dem Glück des eigenen Wegs, Weinheim 2019 (Beltz-Verlag), 18,95 Euro
  • Fröhlich, Laura: Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles – Was Eltern gewinnen, wenn sie den Mental Load teilen, München 2020 (Kösel-Verlag), 16,00 Euro
  • Cammarata, Patricia: Raus aus der Mental LoadFalle – Wie gerechte Arbeitsteilung in der Familie gelingt, Weinheim 2020 (Beltz-Verlag), 17,95 Euro
  • Pommer, Katharina: Stop Mom-Shaming – Miteinander statt gegeneinander, Berlin 2020 (Goldegg-Verlag), 22 Euro
  • Stahr, Nina: Die Krise ist weiblich - Wie wir Familienaufgaben gerechter aufteilen und was Politik dafür tun muss, Berlin 2020 (Beshu Books), 16 Euro

Blogs und Webseiten

  • www.heuteistmusik.de, Blog von Laura Fröhlich, mit Texten über Mütter und zum Mental Load
  • www.geborgen-wachsen.de, Blog von Susanne Mierau, viele Texte über den Umgang mit Kindern und Tipps für Eltern
  • www.dasnuf.de, Blog von Patricia Cammarata, Texte auch zum Mental Load
  • www.equalcareday.de, Initiative, die auf mangelnde Wertschätzung und unfaire Verteilung von CareArbeit aufmerksam macht