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Mama doof, Papa toll? Kinder und ihre Elternvorlieben

25.09.2025

Manchmal bevorzugen Kinder einen Eltern­teil. Das ist ganz normal und gehört zur kindlichen Entwicklung dazu. Ursache dafür sind häufig emotionale, entwicklungspsychologische oder situative Gründe. Doch für die Eltern ist der Umgang damit nicht immer leicht.

Sätze wie „Nur Papa soll mich in den Kindergarten bringen!“,  „Mama soll mir die Schuhe binden!“ oder später in der Pubertät die abweisende Haltung, „Papa hat mir gar nichts zu sagen!“, kennen viele Eltern. Kinder entwickeln im Laufe ihrer Kindheit häufig eine stärkere Bindung zu einem Elternteil. Diese kann sich jedoch immer wieder ändern, so dass mal die Mutter mehr gefragt ist, mal der Vater.

Besonders in den ersten Lebensjahren bevorzugen Kinder oft die Bezugsperson, die sie füttert, tröstet oder ins Bett bringt oder anders ausgedrückt, die sich am meisten kümmert und die meiste Zeit mit dem Kind verbringt. Dadurch entsteht automatisch eine enge Bindung.

Wie aber sollen sich Eltern verhalten, wenn Kinder ihre Elternvorlieben deutlich formulieren, wie „Ich will aber, dass mich die Mama ins Bett bringt, nur die Mama!“. Psychologin Anke Precht rät, klar Position zu beziehen. „Das bedeutet, dass das bevorzugte Elternteil dem Kind gegenüber immer wieder klarstellen sollte, dass das Zu-Bett-Gebracht-Werden kein Wunschkonzert ist, und dass es mal der eine, mal der andere macht.“ Die Eltern sollten auf jeden Fall zusammenhalten. Das Kind kann dann wieder auf seinen Platz zurückfinden, sich mit dem anderen Elternteil arrangieren und nach und nach erkennen, dass der zwar vieles anders macht, aber eben auch manches anders gut.

Geduldsprobe für die Eltern

Kleinkinder, insbesondere in der Trotzphase, zeigen besonders gerne eine starke Vorliebe nur für einen Elternteil, weil sie so lernen, ihre Autonomie auszudrücken. Dadurch haben sie das Gefühl, eine Form von Kontrolle über ihre Umgebung zu gewinnen.

Sind die Kinder schon etwas älter, nehmen sie ganz bewusst Unterschiede im Verhalten oder der Strenge der Elternteile wahr. Wenn ein Elternteil mehr erlaubt, sich lockerer und verständnisvoller zeigt, dann fühlen sich Kinder dort oft wohler. Dies kann bei momentanen Bedürfnissen vorkommen, wenn beispielsweise der Vater das Kind abends länger aufbleiben lässt oder die Mutter nicht so streng mit den Hausaufgaben ist.

Aber besonders die langfristige Bevorzugung - die ja gleichzeitig in dem Moment eine Ablehnung des anderen Elternteils darstellt - kann sehr unangenehm und schmerzhaft sein. Wird immer nur nach Mama geschrien, fühlt sich der Vater möglicherweise zurückgesetzt oder umgekehrt. In diesem Fall ist Geduld und Gelassenheit gefragt.

„Eltern sollten es aushalten, wenn ein Kind sie eine Zeit lang doof findet oder links liegen lässt. Die Liebe ist immer da und wird nach einer gewissen Zeit wieder spürbar, wenn man gelassen bleibt“, erklärt Precht.

An einem Strang ziehen

Spezielle Situationen ergeben sich bei Trennung, Krankheit, Stress oder einem neuen Geschwisterkind. In diesem Fall kann sich die Bevorzugung ändern. Auch in Übergangsphasen suchen Kinder oft besonders enge Nähe zu der Person, die ihnen am meisten Sicherheit gibt. Das ist nicht immer derjenige, der vorher lockerer und zugänglicher war.

In bestimmten Altersphasen kann das Geschlecht des Elternteils eine wichtige Rolle spielen. Mädchen bevorzugen manchmal den Vater in der frühen Kindheit und umgekehrt. Sie suchen Zugang zum anderen Geschlecht. Später in der Pubertät wird manchmal das andere Geschlecht vorübergehend eher abgewiesen und eine Distanz geschaffen.

Wenn die Kinder größer werden und ihre gezeigte Ablehnung stärker, wie zum Beispiel in der Pubertät, ist es noch wichtiger, dass beide Eltern an einem Strang ziehen. „Absprachen sind notwendig, damit Kinder nicht in eine Situation kommen, in der sie ein Elternteil gegen den anderen ausspielen können. Klarheit ist wichtig“, sagt auch Precht.

  • Hilfe gibt es im Familiencoaching, bei Familien­therapeuten und bei Familien- und Erziehungs­beratungsstellen.
  • Eltern können sich mit Fragen auch an die Caritas Stuttgart wenden: Psychologische und Soziale Beratungsstelle Mitte/Süd, Tel. 0711-601703-0, beratung@caritas-stuttgart.de, caritas-stuttgart.de
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