Bewegung ist wichtig, das ist gar keine Frage und von Kinderärzten, Pädagogen und Sportwissenschaftlern dringend empfohlen. Doch wie lassen sich Kinder am besten zur Bewegung animieren? Was macht Bewegungsfreude aus und was kann ihr im Wege stehen und wie können Eltern unterstützen?

In der Sporthalle herrscht ein wildes Durcheinander. Die Kinder laufen, springen, rennen, schreien und sind außer Rand und Band. Ihre Gesichter strahlen. Zumindest bei den meisten der kleinen Sportler. Auch, wenn die Mehrzahl der Kinder begeistert auf Kästen klettert, mit Rollbrettern durch die Halle rast oder lachend am Seil schwingt, gibt es ein paar wenige, die sich nicht motivieren lassen. So auch Pietro, der sich am Halleneingang an seine Mama klammert und einfach nicht mitmachen möchte. Die Mutter redet mit Engelszungen auf ihr Kind ein und versucht ihn zu überzeugen, von ihr loszulassen und sich den fröhlichen Kindern in der Sporthalle anzuschließen.

Schüchternen Kindern gut zureden

Bei vielen Kindern kommt es oft auf die passende Motivation an. Einige Kinder sind von Natur aus eher schüchtern und zurückhaltend und brauchen etwas Zeit, in einer neuen Gruppe oder fremden Umgebung anzukommen. Das gilt auch für den Sportkurs. Sind es nicht die anderen Kinder oder die Umgebung, die am Mitmachen hindern, so ist es manchmal auch das eigene Zutrauen. Manche Kinder haben Angst, zum Beispiel ein Klettergerüst hochzuklettern oder einen Sprung auf dem Trampolin zu wagen. Sie glauben, sie können es nicht oder schaffen es nicht. „Schüchterne Kinder sind vor allem in neuen Situationen eher vorsichtig und zurückhaltend“, bestätigt Autorin und Pädagogin Inke Hummel. „Bei ihnen springen die Areale im Gehirn, die für Angst, Vorsicht und Risikobewertung zuständig sind, schneller an, als bei anderen Kindern.“

Damit schüchterne Kinder lernen, sich mehr und mehr zu öffnen, benötigen sie eine gute Portion Selbstbewusstsein. Dies gewinnen sie durch Lob, Anerkennung und Wertschätzung von Erfolgserlebnissen sowie durch ermutigende Sätze. Zurufe wie „Das hast du gut gemacht“ oder „Toll, was du alles schon kannst“ tun gut. Lob motiviert. Und gerade zurückhaltende Kinder benötigen immer wieder einen Motivationsschub, um überhaupt in die Gelegenheit zu kommen, Bewegungserfahrungen zu sammeln, ihr Bewegungsbedürfnis zu stillen und somit Selbstbewusstsein zu tanken.

Ängste überwinden, Herausforderungen zulassen

Wichtig ist jedoch, schüchterne Kinder nicht zu bedrängen und zurückhaltendes Verhalten nicht zu tadeln. Trotzdem sollte der Nachwuchs nicht in Watte gepackt werden und sich herausfordernden Situationen stellen. „Je häufiger ein Kind erfährt, dass es seine Ängste überwinden kann, desto mehr traut es sich zu und wird automatisch selbstbewusster“, so Hummel. Das gilt nicht nur für zurückhaltende Kinder.

Herausforderungen und das Überwinden der eigenen Grenzen sind auch für die Bewegungsentwicklung wichtig. Doch Eltern stehen diesem Entwicklungsschritt manchmal im Wege. Ein Beispiel vom Spielplatz.

Situation 1: Das Kind klettert auf ein Klettergerüst, ein Elternteil steht besorgt daneben und wenn es dem Erwachsenen zu hoch erscheint, hebt es sein Kind vom Gerüst herunter. Damit ist dem Kind nicht nur die Chance genommen, die Bewegungserfahrung „Herunterklettern“ zu machen, sondern auch das eigene Bewältigen der Situation.
Situation 2: Das Kind möchte auf die große Schaukel, doch die Eltern sagen „Das ist zu gefährlich, spiele doch lieber im Sand.“ Der Bewegungsreiz des Kindes ist im Keim erstickt.

Mit Hilfestellung unterstützen

Natürlich sollen sich Kinder keiner Gefahr aussetzen und das Abwägen zwischen „möglichen und übertriebenen Herausforderungen“ ist auch wichtig. Aber im Zeitalter der überbehüteten Kinder wird oft allzu schnell auf die Bremse getreten und den Kindern damit Bewegungsmöglichkeiten genommen.

Gerade auf dem Spielplatz können Eltern gut begleitend agieren und in brenzlichen Situationen oder wenn das Kind Angst hat, durch Hilfestellung das Kind unterstützen. Einfach da sein und das Kind im Zweifelsfall „auffangen“, ohne es in seiner Bewegungsfreiheit oder Bewegungsausführung einzuschränken. Ganz wie beim Turnen, wenn der Übungsleiter am Gerät daneben steht und im Zweifelsfall unterstützen kann. Das Kind kann so lernen, sich auf die eigene Bewegungssteuerung zu verlassen.

Grundlagen fürs Leben schaffen

Je häufiger Kinder möglichst viele verschiedene Bewegungserfahrungen sammeln, desto besser. Denn die unterschiedlichen Bewegungserfahrungen sorgen für neue Reize und neue Verknüpfungen im Gehirn, auf die immer wieder zurückgegriffen werden kann. „In der heutigen Zeit ist mittlerweile fast allen bewusst geworden, wie wichtig Bewegung, insbesondere der Sport ist. Für Kinder hat dies noch einen viel höheren Stellenwert. Wer in jungen Jahren ausgiebig Sport treibt, behält dafür eher die Motivation ein Leben lang“, sagt Marc Salzer, Leiter der Kindersportschule des MTV Stuttgart 1843 e.V..

Kreative Bewegungsmotivation

Der Grundstein kann schon früh gelegt werden. Fahrzeuge wie Bobbycars oder Laufräder motivieren viele Kinder von ganz alleine zur Bewegung. Aber auch andere Sportgeräte wie Reifen, Bälle oder Trampoline machen Lust darauf. Genauso kann ein Spaziergang Bewegung fördern, angereichert mit einem Balancierparcours auf einem Baumstamm oder einer Runde „Fangen spielen“.

Den natürlichen Aktivitätsmustern von Kindern werden viele Bewegungsvarianten gerecht. Es muss kein strukturiertes Bewegungsangebot sein, allein der Anreiz zu körperlicher Aktivität reicht aus. Bewegungsmotivation erfolgt durch Geduld und Kreativität. Kinder brauchen Zeit, Ideen und Raum für Bewegung. Und immer wieder neue Anreize. Das können Bewegungsspiele sein, Bewegungslieder, Alltagsmaterialien, die für sportliche Zwecke genutzt werden, oder Sportkurse.

Welcher Sport ist geeignet?

Wenn es um die Wahl einer Sportart geht, sollte neben dem Alter vor allem das Interesse des Kindes berücksichtigt werden. Einige Kinder laufen gerne, andere sind Wasserraten, ballaffin oder mögen Bewegung zur Musik. Die Vorlieben gilt es herauszufinden. Eltern können behilflich sein, jedoch ohne ihre eigenen Interessen oder verpassten Sportkarrieren mit ins Spiel zu bringen und übertriebenen Ehrgeiz zu zeigen.

 

 

Wichtig ist auch, dass die Sportart altersgerecht ist. „In den ersten Lebensjahren können die Kinder noch kein Fußball, Handball oder Volleyball spielen. Es fehlen dafür die koordinativen Voraussetzungen, Regelkunde und vieles mehr. Diese wichtigen Bausteine, um eine Sportart zu meistern, wird den Kindern unter anderem in der ‚Kindersportschule‘ beigebracht“, sagt Salzer. In der Kindersportschule oder beim Kinderturnen im Verein lernen die Kinder vom Einfachen zum Schweren. Und was am wichtigsten ist, die Kinder lernen, Spaß an der Bewegung zu haben.

Kleine Tricks bei Lustlosigkeit

Und was passiert, wenn Kinder keinen Spaß an Bewegung haben? Dann kann man mit kleinen Tricks zum Beispiel beim Kinderturnen oder in der Kindersportschule nachhelfen. „Das kann ein Turnparcours mit einem bestimmten Motto oder einer Geschichte sein“, weiß Salzer aus seiner Praxiserfahrung. Die Sportstunde kann sich nach der Jahreszeit, dem Wetter, aktuellen Ereignissen oder einer spannenden Geschichte richten.

Natürlich gibt es Tage, an denen ein Kind einfach keine Lust auf Sport hat. Wichtig ist, dass das Kind nicht zum Sport gezwungen wird, sonst besteht die Gefahr, dass es mit Sport und Bewegung etwas Negatives verbindet. Sitzt ein Kind mal am Rand und möchte am Sport nicht teilnehmen, so ist die Lehrkraft gefordert, durch individuelle Betreuung und gutes Zureden einen Teilerfolg zu erreichen, die Teilnahme an vielleicht nur einer Übungsstation oder das Mitwirken an nur einem Spiel. So kann das Kind noch etwas Positives mit der Stunde verbinden.

Eltern als Bewegungsvorbilder

Es gibt viele Ausreden, auf Bewegung zu verzichten und sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Chillen, Zocken, Abhängen - das sind beliebte Freizeitbeschäftigungen von Teenagern und Jugendlichen und eine ganz erhebliche Bremse, wenn es um Bewegung geht. Nur jedes fünfte Kind in Deutschland bewegt sich so, wie es die Weltgesundheitsorganisation (World-Health-Organisation, WHO) empfiehlt. Diese rät Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 18 Jahren bis zu 60 Minuten Bewegung pro Tag. Expertinnen und Experten aus dem Gesundheitswesen bestätigen, dass mindestens eine Stunde Aktivität pro Tag ratsam wäre. Dabei gilt: Je jünger die Kinder sind, umso intensiver sollte die Bewegung sein. Die Kleinen sollen dabei ruhig außer Atem kommen und schwitzen.

Eltern können ein gutes Vorbild sein. Nicht nur durch Sporttreiben, sondern durch einen aktiven Lebensstil. Sie sollten nicht zu viel Zeit auf dem Sofa und vor dem Fernseher verbringen, Bewegung in den Alltag integrieren, mit dem Rad, statt mit dem Auto fahren, sich zum Wandern treffen und auch im Urlaub Sport treiben. Das färbt meist auf die Kinder ab.

Buchtipps:

Lesestoff zur Bewegungsmotivation

„Bewegung macht dich stark!“, Katrin Linke und Karsten Brensing, Loewe Verlag, 2023, ab 9 Jahren, 22 Euro, ISBN 978-3-7432-1388-3

Das Buch „Bewegung macht Dich stark!“ von Karsten Brensing und Katrin Linke macht Kindern Lust auf Bewegung.

Das Buch ist gefüllt mit Infos, warum Fitness gut ist, was im Gehirn passiert, welche Übungsstrategien es gibt und was bei Bewegungsmangel passiert. Vielleicht lassen sich Kinder ja mit ein paar spannenden Geschichten zur Bewegung motivieren. Das Buch ist kindgerecht aufbereitet und setzt auf viele verschiedene Aspekte zur Bewegungsförderung.

Lesestoff für Bewegungsideen

„Spiele, die alle bewegen“, Ulrich Baer, Gerhard Knecht, Marietheres Waschk, Klett-Verlag, 2021, 19,95 Euro, ISBN978-3-77271556-3

Bewegung mach vor allem spielerisch Spaß. In dem Buch „Spiele, die alle bewegen“ gibt es 222 Spiele und Spielideen. Diese sind zwar ursprünglich für die Kinder- und Jugendarbeit ausgelegt, aber auch in jeder Familie oder Gruppe spielbar.