Ein Mädchen und ein Junge konsumieren einen Joint.
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Legalize it?! Gedanken zur Cannabis-Freigabe

26.02.2024

Cannabis ist die am häufigsten konsumierte illegale Droge. Momentan wird in Baden-Württemberg auch der Besitz von kleinen Mengen strafrechtlich verfolgt. Im Februar 2024 hat der deutsche Bundestag die Legalisierung von Cannabis beschlossen. Nun liegt der Gesetzesvorschlag dem Bundesrat vor.

Was könnte sich durch die Freigabe ändern? Welche Gefahren birgt die Droge und was können Eltern tun, wenn die Kinder Haschisch oder Marihuana konsumieren? Im Koalitionsvertrag der „Ampel“ ist sie festgeschrieben, auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) befürwortet sie inzwischen: Die Legalisierung von Cannabis. Nach einer Beratung mit Experten, eines Abwägens des Für und Wider und einer Auswertung von Erfahrungen aus anderen Ländern, wo Cannabis bereits freigegeben ist, soll Ende des Jahres ein Gesetzesentwurf vorliegen, der in den kommenden Jahren in Kraft treten wird. Cannabis soll dann kontrolliert in lizensierten Geschäften zu Genusszwecken an Erwachsene abgegeben werden. Statista.com gibt an, dass fast jeder zehnte Jugendliche im Alter von zwölf bis siebzehn Jahren 2021 zumindest einmal Cannabis probiert hat, rund zwei Prozent konsumieren die Droge regelmäßig. Maren Pletat, die als Sozialarbeiterin für „Release U21“ in der Suchtprävention arbeitet, gibt an, dass manche Jugendliche angeben würden, trotz der Illegalität eher an CannabisProdukte als an Alkohol zu kommen.

„Wir vermuten, dass der Jugendschutz nach einer Freigabe besser greift, weil der Markt dann transparenter ist“, so Pletat. Generell hofft man, durch eine Freigabe den Schwarzmarkt einzudämmen. Erfahrungen aus anderen Ländern wie Kanada zeigen, dass der Konsum nach der Freigabe höchstens vorübergehend ansteigt.

Gesundheitliche Gefahren

Die hauptsächliche Gefahr stellt die psychische Abhängigkeit dar, da durch Cannabis eher keine körperliche Abhängigkeit entsteht.

Maren Pletat informiert bei ihrer Arbeit für „Release U21“ Schüler wie Eltern über mögliche negative Aspekte des Drogenkonsums, unter anderem auch über Nebenwirkungen von Cannabis. „Viele Jugendliche erzählen, dass sie schon unangenehme Rauschzustände hatten. Es kommt dann zu Panik, Herzrasen oder unter Umständen auch zu einer Psychose. Gefährlich ist, dass Marihuana oder auch Haschisch gegenwärtig viel potenter ist.“ Ziel der Präventionsarbeit bei „Release U21“ oder auch an anderen Stellen ist nicht unbedingt die vollständige Abstinenz, sondern auch der kontrollierte Umgang mit der Droge.

Bei „Release U21“ werden Betroffene für die Wichtigkeit der angemessenen Dosierung sensibilisiert oder für die Tatsache, dass es auf dem Schwarzmarkt auch verunreinigte Ware gibt, die Kopfschmerzen und Übelkeit verursacht. Wer Drogen in einer vertrauten Umgebung konsumiert und im Falle von Cannabis auf den Mischkonsum mit Alkohol verzichtet, kann das Risiko einer negativen Erfahrung wenigstens reduzieren. Pletat betrachtet den regelmäßigen Konsum bewusstseinsverändernder Substanzen in jungen Jahren vor allem deshalb als problematisch, weil die Jugendlichen möglicherweise in der psychosozialen Entwicklung behindert werden. „In der Pubertät bilden sich eigentlich Frustrationstoleranz und Impulskontrolle aus. Wenn Jugendliche verinnerlichen, dass sie durch Drogen auf Knopfdruck Entspannung erfahren, bleibt die Suche nach anderen Bewältigungsstrategien von Stress aus. Dabei sind Methoden wie Yoga oder Sport im Allgemeinen viel zielführender. Manche, die regelmäßig Drogen konsumiert haben, haben noch im Erwachsenenalter Probleme mit der Impulskontrolle oder fühlen sich schnell überlastet, weil ihnen effiziente Entspannungsmethoden fehlen,“ so Pletat. Problematisch sei der Konsum dann, wenn er nicht der Verstärkung positiver Gefühlszustände, sondern wenn er vor allem der Beruhigung oder des Verdrängens negativer Gefühle diene.

Dr. Maurice Cabanis, Ärztlicher Direktor der Klinik für Suchtmedizin und Abhängiges Verhalten des Klinikums Stuttgart, hat die Erfahrung gemacht, dass der problematische Konsum von Substanzen in jungen Jahren häufig ein Symptom einer psychischen Erkrankung ist oder mit Traumatisierungen, Depressivität, emotionaler Instabilität, Vernachlässigung oder Ausgrenzung einhergeht. In seltenen Fällen komme es aber auch durch den Konsum von Cannabis oder anderen Substanzen zum Auftreten einer psychischen Erkrankung. „Cannabis als primärer Aufnahmegrund in die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist allerdings eher selten. Cannabis wird eher zusätzlich zu anderen Drogen konsumiert. Genauso selten kommt es vor, dass Patienten durch den Cannabis-Konsum langfristig geschädigt sind.

Bei Menschen, die früh mit dem Konsum beginnen und gleichzeitig über einen langen Zeitraum regelmäßig in höheren Dosierungen Cannabis konsumieren, kann es zu einem Amotivationalen Syndrom kommen, das mit Niedergeschlagenheit, Interessen- und Antriebsverlust sowie Konzentrationsstörungen einhergeht“, so Cabanis. Die Droge Cannabis könne allerdings sowohl eine substanzinduzierte Psychose auslösen, die nach einer kurzen Behandlung wieder verschwindet oder auch bei einer bereits vorhandenen Veranlagung für eine Erkrankung, wie beispielsweise Schizophrenie, diese auslösen/ triggern. Gehirnstrukturen würden vor allem bei häufigem Konsum in höheren Dosierungen langfristig verändert. Dr. Cabanis weiß aber auch, dass die Forschungsergebnisse und Studien in diesem Bereich zu unterschiedlichen und sich zum Teil widersprechenden Resultaten kommen würden. Es bedürfe größer angelegter Studien mit längeren Beobachtungszeiträumen für mehr Aussagekraft.

Strafrechtliche Gefahren

Maren Pletat hält außerdem weitere negative Konsequenzen in der Aufklärung für wichtig, die nicht in der Droge selbst liegen. So müsse man Jugendliche und Eltern unbedingt darauf hinweisen, dass der Konsum derzeit massive strafrechtliche Folgen haben könne. So würden Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz zum Teil auch an die Führerscheinstelle gemeldet, woraufhin der Erwerb des Führerscheins erschwert werden könne. Nicht selten habe sie mit Jugendlichen zu tun gehabt, die ein ganzes Jahr lang auf das Ergebnis des Jugendstrafgerichts warten und um den Ausgang bangen.

Man dürfe nicht vergessen, dass auch Eltern belangt werden können, die die Lagerung und den Konsum von Cannabis in den eigenen vier Wänden billigen.

Hendrik Weiß, Leiter des Rauschgiftdezernats in Stuttgart, bestätigt dies. So sehe das Betäubungsmittelgesetz eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe für „einfache“ Besitzdelikte vor. Die Staatsanwaltschaft könne von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre, kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge (bis zu drei Konsumeinheiten) besitzt. Da es sich immer um eine Einzelfallentscheidung der zuständigen Staatsanwaltschaft handle und sie nicht im Ermessen der Polizei liege, gebe es hierzu keine Richtwerte. Es komme nicht selten vor, dass eine Meldung an die Führerscheinstelle gemacht werde, weil man befürchte, dass der Konsum des Betäubungsmittels Einfluss auf die Eignung zur Führung eines Kraftfahrzeugs habe. Dies könne zum Entzug des Führerscheines führen (oder den Zugang zum Führerschein erschweren). Bei etwa drei Viertel der Tatverdächtigen bezogen auf alle Betäubungsmitteldelikte handle es sich um Erwachsene.

Tipps für Eltern

„Nicht zuletzt wegen der möglichen strafrechtlichen Konsequenzen muss man sich als Eltern gut überlegen, ob man den Konsum toleriert. Möglich sind auch Kompromisslösungen, wie den Konsum und die Lagerung Zuhause begründet zu untersagen. Allerdings hat sich schon oft erwiesen, dass ein deutliches Verbot den Konsum nicht unbedingt verhindert, aber doch einschränkt“, so Pletat.

Dr. Cabanis rät dazu, das Thema „offen und empathisch“ anzusprechen, wenn Eltern den problematischen Konsum vermuten. Dies ist auch die Haltung von Maren Pletat, die ein offenes Gespräch empfiehlt, bevor es zum „Supergau“ kommt. Wichtig sei, die Droge weder zu verteufeln, noch zu verharmlosen. Um herauszufinden, ob eine Sucht vorliegt, können Betroffene und Angehörige einen Test auf der Seite drugcom.de machen. Sie ist ein Projekt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Der anonyme Cannabis-Check ist sehr differenziert und liefert wenigstens einen Anhaltspunkt.

Schwierig ist das Thema vor allem, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kind beschädigt ist. Hier ist es wichtig, trotz allem einen konstruktiven Weg zu suchen, statt sich mit möglichen Erziehungsfehlern zu befassen. Eltern wie auch Betroffene selbst sollten sich möglichst an eine Beratungsstelle oder Selbsthilfegruppe wenden.

Tipps & Wissenswertes

  • release ist ein Verein und bietet Hilfe bei Sucht- und Drogenthemen. Beratung für Betroffene und Angehörige, Prävention für Schulen, Betriebe, Unternehmen, Multiplikatoren; Verein zur Beratung Neuerdings ist auch online-Beratung möglich: www.release-stuttgart.de
  • Im Klinikum Stuttgart: Suchberatung Klinikum
  • Quit the Shit ist ein online-Informations- und Beratungsservice speziell für Cannabiskonsumentinnen und -konsumenten, die professionelle Hilfe suchen (www.quit-the-shit.net). Die Teilnahme ist kostenlos und anonym. Es dauert vier Wochen.
  • Auch das Deutsche Rote Kreuz bietet regional Suchtberatung an: Suchtberatung DRK
  • Suchtberatung der Caritas: Suchtberatung und Suchthilfen
  • drugcom.de ist ein Projekt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Das Internetportal informiert über legale und illegale Drogen und bietet Interessierten und Ratsuchenden die Möglichkeit, sich auszutauschen oder auf unkomplizierte Weise professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen. Ziel des Angebots ist es, die Kommunikation über Drogen und Sucht anzuregen und eine selbstkritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Konsumverhalten zu fördern. Drugcom