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Kinderängste verstehen: Wenn Monster unterm Bett zur Realität werden

01.04.2024

Ängste bei Kindern sind völlig normal. Trotzdem sind sie manchmal besorgniserregend, denn sie haben viele Gesichter. Damit Eltern ihre Kinder unterstützen können, müssen sie die Ängste der Kinder erkennen, auch, um zu unterscheiden, ob es sich um reale Gefahren handelt oder um eine ungesunde Entwicklung.

Sarah liegt im Bett, sie soll ihr Licht ausmachen und schlafen. Aber Sarah hat Angst. Immer wieder, wenn sie die Augen schließt, sieht sie diese Figuren vor sich, mit den Gesichtern, die sie immer wieder in Angst und Schrecken versetzen.

Auch Felix hat Angst. Er hat kürzlich einen Film gesehen, in dem die Mutter eines kleinen Jungen schwer krank wurde und starb. Jetzt hat er plötzlich Angst, dass es seiner Mutter auch so ergehen könnte und sie nicht mehr für ihn da ist.

Ängste können verschiedene Gesichter haben und sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Was alle Ängste eint: Sie machen etwas mit den Betroffenen.

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Angst zeigt sich durch Körpersprache

Manche Kinder weinen, wenn sie Angst haben, andere werden still und ziehen sich zurück, wieder andere trauen sich nichts mehr zu, zweifeln an ihren Fähigkeiten oder entwickeln besonderen Ehrgeiz. Ängste können sich sowohl in der Körpersprache zeigen, aber auch an anderen Reaktionen, wie beispielsweise das Einnässen, selbst wenn das Kind längst trocken ist, Bauchschmerzen, Kopfweh oder allgemeinem Unwohlsein.

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Wozu sind Ängste gut?

Ängste haben einen Sinn. Sie sind wichtig und begleiten die Menschheit seit jeher.  „Angst ist für das Überleben unverzichtbar“, sagte die Journalistin und Autorin Hannah Arendt.

Ängste haben eine wichtige Aufgabe als ein Teil der menschlichen Gefahrenabwehr. „Wenn ich über eine große Straße mit viel Verkehr gehe, dann ist Angst durchaus angebracht“, sagt Udo Baer,  Gesundheitswissenschaftler und Diplom-Pädagoge. Angst führt zu angemessener Vorsicht. Das geht entwicklungsgeschichtlich auf die sinnvolle Furcht vor wilden Tieren zurück. Doch nicht immer resultiert die Angst aus einer wahren Gefahr. Bei Gewitter kann ich Angst habe, dass der Blitz einschlägt, wenn ein Hund bellend auf mich zuläuft, kann ich mich davor fürchten, dass er mich beißen könnte.

Aber Ängste können auch irrational sein und genau das macht sie so schwer begreiflich. Denn dann spielt die Fantasie ein übergeordnete Rolle. So können Situationen rein in der Vorstellung Angst erzeugen. Genau das ist Felix passiert, als er nach dem Film dachte, auch seine Mutter könnte sterben, obwohl es dafür keinerlei Anhaltspunkte gab. Und natürlich ist es auch unwahrscheinlich, dass unter Sarahs Bett Monster schlummern oder ein Geist im Keller hockt, wenn wir dort im Dunkeln hinuntergehen müssen. Auch mit diesen Ängsten heißt es umzugehen.

Angst vor Spinnen und Gespenstern

Welche Ängste gibt es überhaupt? Einige Kinder haben Angst vor Gespenstern, vor Hexen, vor Ungeheuern. Andere fürchten sich vor Spinnen, wilden Tieren oder Quallen. Es gibt die Angst vor dem Krieg, die Angst vor der Trennung der Eltern, Verlustängste, wenn die Oma alt ist und sterben könnte oder Angst vor Klassenkameraden, vor Prüfungen, vorm Versagen und vieles mehr.

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Eine der ersten Ängste bei Kindern ist die Trennungsangst, die gegen Ende des ersten Lebensjahres einsetzt. Sie ist eine Begleiterscheinung auf dem Weg zur Selbständigkeit. Zur Trennungsangst gehört auch die Angst beim Einschlafen, wenn das Kind alleine im Bett liegt und sich einsam und verlassen fühlt. Ein weiterer Ableger der Trennungsangst ist das Heimweh, das einige Kinder auf der Klassenfahrt ereilt oder beim Übernachtungsbesuch bei Freunden.

Vorbilder und Erziehung

Auch das elterliche Erziehungsverhalten spielt eine Rolle bei der Entstehung von Ängsten. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das Risiko für eine Angststörung sowohl durch eine überbehütende und kontrollierende Erziehung als auch durch wenig emotionale Nähe und Sensibilität gegenüber dem Kind gesteigert wird. Auch Drohungen beflügeln Ängste. Sätze, wie „Wenn du das nicht schaffst, dann…“ oder „Jetzt stell dich nicht so an…“ schwächen das Selbstwertgefühl und können Ängste begünstigen.

Einen positiven Effekt können Eltern dagegen als Vorbilder erzielen, wenn sie dem Kind zeigen: „Wir sind nicht in jedem Moment mutig und stark“, sagt die Autorin des Buches „Keine Angst vor der Angst“, Christine Rickhoff.

Wenn Angst krankhaft ist

Ängste sind ein normaler Teil der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, bestätigt die AOK. Aber es gibt auch Ausprägungen von Ängsten, die über das normale und notwendige Maß hinausgehen. Das können Ängste sein, die sehr lange und intensiv anhalten. „Die häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter sind Angststörungen“, bestätigt Autor und Psychologe Stefan Hetterich.

Alle Ängste, die stark ausgeprägt sind, können zu Problemen führen. Eltern sollten wachsam sein, wenn  das Kind sich über mehrere Monate regelmäßig weigert, in den Kindergarten oder die Schule zu gehen. Sie sollten sich Hilfe holen. Das gilt auch bei „Jugendlichen, die nicht bloß schüchtern sind, sondern eine ausgeprägte und sozial eingeschränkte Angst vor Situationen haben, bei denen sie mit anderen Menschen zusammentreffen“, berichtet die AOK-Pressestelle. Auch in diesem Fall wird zu einem Besuch beim Arzt geraten. Angststörungen werden im Wesentlichen dadurch gefördert, dass die Kinder und Jugendlichen in ein Vermeidungsverhalten rutschen und damit die Angst noch verstärken. Stattdessen sollte durch eine Psychotherapie die Angst verstanden und unter Kontrolle gebracht werden, so dass man mit ihr umgehen kann.

Was können Eltern tun?

„Wir müssen die Ängste ernst nehmen, egal, ob sie offen gezeigt werden oder sich verstecken“, sagt Baer. Kinder, die Angst haben, benötigen Beruhigung, Schutz und Geborgenheit. Sie suchen Verständnis für ihre Angst. Deshalb ist es nicht ratsam, einem ängstlichen Kind mit dem Satz zu begegnen „Du brauchst keine Angst haben!“. Die Angst ist schon da und in dem Moment gilt es, mit ihr klarzukommen. Hier ist die Unterstützung und der Schutz der Eltern besonders wichtig.

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„Lassen sie sich die Angst des Kindes beschreiben“, empfiehlt Diplom-Pädagogin Dorothea Hesse aus Gerlingen und setzt auf aktives Zuhören. Das vermittelt Nähe und gibt dem Kind das Gefühl, dass es wichtig ist, geliebt und ernstgenommen wird. Auch wenn es für die Kinder nicht immer leicht ist, die Angst direkt zu benennen. Im Gespräch kann über Gefühle, Bilder oder Fantasien gesprochen werden.

„Anschließend sollten die Eltern - ohne Beteiligung des Kindes - überlegen, wo die Ursache für die Ängste liegen könnte“, so Hesse. Könnte die familiäre Situation eine Rolle spielen oder gibt es Probleme in der Kita, Schule oder im Freundeskreis? Gemeinsam mit den Kindern sollte dann nach Lösungsansätzen gesucht werden.

Genetische Faktoren

Ängstliche Eltern können Ängste bei Kindern verstärken. Jedoch muss nicht jedes Kind ängstlicher Eltern unmittelbar Ängste entwickeln.

Für eine Angstproblematik gibt es keine einzelne Ursache. Experten gehen aber von einer erblichen Veranlagung aus, die Angststörungen begünstigen: Die Anpassungsfähigkeit an neue Reize, die emotionale Erregbarkeit und die Reaktionsweise des Nervensystems sind zu einem gewissen Grad angeboren. Ausgeprägte Angststörungen betreffen daher häufig Kinder, bei denen ein Elternteil vergleichbare Probleme hat oder hatte.

Welche Ängste bei Kindern gibt es?

  • Trennungsangst (ab 1 Jahr)
  • Angst vor Tieren (ab 2 Jahren)
  • Angst vor Dunkelheit (ab 2 Jahren)
  • Angst vor Fantasiegestalten (ab 3 Jahren)
  • Angst vor (bösen) Menschen (ab 5 Jahren)
  • Versagensängste (ab 6 Jahren)

Buchtipp

Das Buch „Ängste bei Kindern und Jugendlichen“ von Dipl.-Psych. Stefan Hetterich gibt viele Tipps für Eltern, deren Kinder an Ängsten leiden. Es behandelt sowohl Kinderängste rund um Gespenster und Monster, als auch Angststörungen und Panikattacken. Der Ratgeber soll Eltern einen Blick auf die Ängste der Kinder ermöglichen, um die inneren Konflikte besser zu verstehen. Eltern lernen dabei auch, wie sie ihr Kind stärken und unterstützen können. Zu dem Buch gibt es ergänzend das Arbeitsbuch „Kinderängste überwinden“, in dem Übungen und konkrete Schritte zum Überwinden der Ängste aufgezeigt werden.

© akr/ Buchcover Mabuse-Verlag

Ängste bei Kindern und Jugendlichen und Arbeitsbuch Kinderängste überwinden, Stefan Hetterich, Mabuse-Verlag,  2. Auflage 2023, ISBN-13: 9783863215989, ISBN-13: 9783863216313, je EUR 16,-