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Kampfsport für Kinder: Mehr als nur Selbstverteidigung

23.05.2025

Kampfsportarten wie Boxen, Karate und Judo sind bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebt, denn das Ausprobieren und Messen der eigenen Kräfte unterstützt ihre körperliche und geistige Entwicklung. Doch es geht dabei nicht nur ums Kämpfen: Hinter jeder dieser Kampfkünste steckt eine eigene Philosophie und ein besonderes Menschenbild, das gleichzeitig im Training vermittelt wird.

Ringen, Boxen und auch Fechten sind Kampfsportarten mit einer langen Tradition in Europa, wohingegen Budo-Kampfkünste wie Kung-Fu, Aikido, Judo oder Taekwondo aus ostasiatischen Kulturen stammen und der Selbstverteidigung und Vermeidung des Kampfes dienen.

Körper und Geist

Psychische Energie ist bei allen Kampfsportarten eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg beim Training. Darum werden hier nicht nur, wie in anderen Sportarten, körperliches Konditionstraining betrieben und Techniken erlernt, sondern der Mensch immer als Einheit von Geist und Körper betrachtet.

„Wer auf einem Laufband seine Kondition trainiert, schaltet seinen Kopf dabei ab, da er so die besseren Resultate erlangen wird“, erklärt Aikido-Lehrer Udo Schill. Die Kinder und Jugendlichen, die zu ihm ins Training kommen, rennen zwar auch zu Beginn der Stunde durch die Turnhalle, um sich aufzuwärmen, jedoch müssen sie beim Techniktraining „ganz dabei sein und immer auf den Gegenüber achten“, betont Schill. Manchmal komme es schon vor, dass der Körper im Aikido-Training sei, aber der Geist schon beim Abendessen, erzählt der Lehrer schmunzelnd. Aber dann nutze er die Möglichkeiten des Aikido, über Atemübungen und Meditation wieder eine Einheit zwischen dem Körper und dem Geist der Kinder zu schaffen.

Die Techniken der verschiedenen Kampfsportarten werden meist durch ständige Wiederholung erlernt. Das erfordert Ausdauer und ist anstrengend für die Kids, da fast jeder Muskel im Körper angespannt und beansprucht wird. „Wenn zwanzigmal die gleiche Technik geübt wurde, brauchen die Kinder erst mal eine Trinkpause, da sie sich dabei völlig verausgaben müssen“, beobachtet Schill im Aikido-Training.

Selbstverteidigung

Vielen Eltern ist es wichtig, dass ihre Kinder eine Sportart erlernen, die ihnen ermöglicht, sich selbst zu verteidigen, wenn es zu gefährlichen Situationen kommen sollte. Doch in den meisten Kampfsportarten geht es nicht nur darum, Techniken zur Selbstverteidigung zu erlernen, sondern um Dinge wie Selbstwertgefühl, die damit verbundene Ruhe und Sicherheit und die Fähigkeit, Situationen richtig einzuschätzen und Probleme zu sehen, bevor sie sich entwickeln.

Für Schill ist es besonders wichtig, seinen Aikido-Schülern beizubringen, dass sie entspannt bleiben: „Wenn wir entspannt sind, können wir besser entscheiden, was zu tun ist. Wer aufgeregt oder gar ängstlich ist, kann die Situation nicht mehr überblicken“, weiß der Kampfkunst-Lehrer.

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Und wer es im Training mit ständig wechselnden Kampfpartnern aufnehmen kann, hat auch im Leben ein anderes Standing und begegnet Herausforderungen mit mehr Selbstbewusstsein. Zwar dürfen die Techniken nur im Notfall im Alltag angewandt werden, aber alleine die Gewissheit, auch gegen einen größeren, älteren oder gar schwereren Gegner klarkommen zu können, gibt Kindern und Jugendlichen genug Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten.

Ängste und Resilienz

Kampfsportarten, insbesondere asiatische Stile, können auch Ängste, die Kinder und Jugendliche haben, lindern. Jede Kampfsportart hat hier ihre eigenen Möglichkeiten, auf diese einzuwirken. Schill hört immer wieder von seinen Schülerinnen und Schülern, dass sie kurz vor Prüfungen in der Schule ihre Ki-Atemübungen, die sie im Training erlernt haben, anwenden. Ki steht im Aidikdo für eine besondere Art Lebensenergie. „Sie wissen, dass, wenn das Ki in ihrem Körper fließt, sie zur Ruhe kommen und leistungsfähiger sind“, freut sich der Lehrer. „Dann gehen sie entspannter in die Prüfung und haben das notwendige Selbstvertrauen“, weiß Schill.

Ähnlich verhält es sich mit Ängsten im sozialen Bereich. Mobbing-Betroffene in der Schule können durch das Training von Körper und Geist in einer Kampfkunst Situationen schon im Voraus besser einschätzen und gegebenenfalls umgehen. Hinzu kommt, dass sie durch ihre geschulte mentale Stärke Stresssituationen leichter an sich abgleiten lassen und somit weniger darunter leiden.

Beim körperlich wie mental oftmals anstrengenden Kampfunterricht bauen Kinder und Jugendliche eine natürliche Resilienz auf. Sie lernen mit der Zeit, wie man sich in Stresssituationen zentrieren und einen kühlen Kopf bewahren kann.

Soziale Kompetenzen

Trainiert wird in einer Kampfsportart meist mit einem Partner, der als Gegner fungiert. Die Partner wechseln immer wieder, sodass die Fähigkeit, sein Gegenüber einzuschätzen, geschult wird. Solcherlei soziale Kompetenzen sind auch im Alltag von besonderer Bedeutung, denn weder Ängste noch Selbstüberschätzung führen hier zum Ziel.

Beim Kampf mit einem körperlich überlegenen Kind trainieren die Kleinen nicht nur ihre eigene Stärke und Technik, sondern auch, dass man nicht immer gewinnen kann und wie es sich anfühlt, zu verlieren.

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Der Respekt gegenüber dem Partner und allen Menschen, ohne Ausnahme, ist ein wesentlicher Bestandteil von Kampfsportarten und -künsten. Das zugrunde liegende Menschenbild, das aus Höflichkeit, Toleranz und Integrität besteht, hat seine Wurzeln in ostasiatischen Kulturen. Die daraus resultierenden Werte sind wichtige soziale Kompetenzen, die Kinder und Jugendliche in unserer Gesellschaft nicht selbstverständlich erwerben, obwohl sie essenziell für einen respektvollen Umgang mit anderen Menschen sind.

Gefahren

Eltern haben manchmal die Sorge, dass eine Kampfsportart gefährlich für ihr Kind sein könnte. Aber eigentlich ist gerade das Gegenteil der Fall: Bei den meisten Kampfsportarten lernen die Kids als Erstes, sicher zu fallen und sich auf der Matte abzurollen, um einer Verletzung vorzubeugen. Unter Anleitung eines professionellen Trainers ist Kampfsport für Kinder mit Sicherheit nicht gefährlicher als Fußballspielen.

Natürlich können direkte Schläge auf den Kopf oder andere Körperteile, beispielsweise beim Boxen, zu Verletzungen wie Verstauchungen oder auch mal einer Gehirnerschütterung führen. Dies kommt aber relativ selten vor, da die Kinder ja extra lernen, wie sie eine Verletzung vorbeugen können.

Kindertauglich

Welche Kampfsportart für Kinder und Jugendliche am besten geeignet ist, lässt sich nicht pauschal beantworten, denn es kommt natürlich auf die individuellen Interessen und Vorlieben an. Für die Entscheidungsfindung ist der Besuch von ein paar Probetrainingsstunden zu empfehlen.

Schon ab fünf bis sechs Jahren ist es möglich und sinnvoll, dass Kinder mittrainieren. „Natürlich hängt es immer von der Entwicklung des einzelnen Kindes ab, aber ich habe tatsächlich Sechsjährige, die bereits nach einem Jahr ihre erste Gürtelprüfung erfolgreich bestanden haben“, erklärt Schill nicht ohne Stolz.

Feine Unterschiede

Das Ringen und Boxen wurde in seiner Beliebtheit vom Kickboxen abgelöst, und auch sonst sind es eindeutig die ostasiatischen Kampfkünste, die bei Eltern und Kindern regen Zuspruch finden:

Beim Judo stehen Wurf- und Bodentechniken im Mittelpunkt. Dabei werden Kraft, Gewandtheit, Beweglichkeit und Koordination trainiert.

Aikido ist eine eher defensive Kampfkunst. Wie beim Judo werden Wurf- und Haltetechniken trainiert. Ohne Ki geht hier aber gar nichts. Erst wenn das Ki im Fluss ist und Körper und Geist eins sind, können die Aikido-Techniken trainiert werden.

Im Jiu-Jitsu-Training werden viele Techniken der Selbstverteidigung trainiert. Darunter sind Tritt-, Stoß-, Schlag-, Wurf- und Hebeltechniken. Es ist eine moderne Kampfkunst, die Elemente von Judo und Karate miteinander verbindet. Gegnerische Angriffe sollen, ähnlich wie beim Judo und Aikido, mit möglichst geringem Kraftaufwand abgewehrt werden.

Karate ist eine Kampfsportart, die auf Schlag-, Stoß- und Tritttechniken basiert. Beim Karatetraining schulen Kinder vor allem ihre Kondition, Schnelligkeit und Beweglichkeit, aber auch allgemein die körperliche Belastbarkeit.

Taekwondo ist eine besonders dynamische Kampfsportart und zeichnet sich unter anderem durch schnelle, akrobatische Tritte aus. Kinder trainieren hierbei vor allem ihre Flexibilität, Ausdauer und Körperkontrolle.

Die relativ junge Kampfsportart Kickboxen verbindet Techniken des klassischen Boxens mit Tritt- und Schlagtechniken, wie sie zum Beispiel bei Karate, Taekwondo oder dem thailändischen Kampfsport Muay Thai genutzt werden.