Globale Erderwärmung: Warum wir den Klimawandel nicht ignorieren dürfen

25.03.2025

Keine Zeit für die Zukunft?

Der EU-Klimawandeldienst Copernicus dokumentierte für das Jahr 2024 eine bislang beispiellose mittlere globale Erderwärmung von 1,6°C. Das im Pariser Abkommen festgelegte Ziel, möglichst den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf eineinhalb Grad zu begrenzen, wurde damit bereits gerissen. Je mehr man sich mit dem Klimawandel beschäftigt, desto deprimierender erscheint der Blick in die Zukunft. Es gibt nichts zu relativieren, keinen Grund anzunehmen, dass es weniger schlimm wird oder dass technologische Errungenschaften uns retten würden. Trotzdem tun wir zu wenig. Woran liegt das? 

Die Forschung über die Veränderungen des Klimas sei, so Dr. Hans-Stefan Bauer, Meteorologe an der Uni Hohenheim, zeitweise schon sehr deprimierend, weil die wissenschaftlichen Erkenntnisse seit Jahrzehnten weder von politischen Akteuren noch von der Bevölkerung ernst genug genommen werden, trotz alarmierender Prognosen. Extremwetterereignisse würden in der Zukunft noch zunehmen. Künftige Generationen hätten deutlich mehr mit dem Klimawandel zu kämpfen. 

„Was ich an der Wetterstation hier beobachte, ist, dass die letzten drei Jahre auch hier in der Region die drei wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnung waren. Wir messen in Hohenheim seit 1878. Im Vergleich dazu ist die Jahresmitteltemperatur um rund drei Grad auf 11,6 Grad gestiegen. Hier beträgt die Erderwärmung also deutlich mehr als 1,6 Grad“, erklärt Bauer. „Je jünger die Leute sind, desto mehr werden sie davon spüren. Es gibt regionale Klimavorhersagen. Momentan haben wir etwa dreißig Tage mit Hitzebelastung in Stuttgart (also Tage, an denen die Temperatur über dreißig Grad liegt) und bis zum Ende des Jahrhunderts wird sich diese Zahl verdoppeln.“ Eigentlich sollten wir kein weiteres Gramm CO² in die Atmosphäre blasen. Dieselbe habe ein langes Gedächtnis und selbst bei sofortigem Handeln würde es Jahrzehnte dauern, bis die global gemittelte Temperatur wieder abnimmt.

Cover des Buches. Hell orangener Hintergrund mit dunkelorangener Schrift. Foto des Autoren.

Buchtipp

Sven Plöger: Zieht euch warm an, es wird noch heißer! Können wir den Klimawandel noch beherrschen?

2023, Westendverlag, ISBN 978-3-86489-409-1, 22 Euro.

Sven Plöger, Meteorologe, Fernsehmoderator und Autor geht in seinem aktuellen Buch „Zieht euch warm an, es wird noch heißer! Können wir den Klimawandel noch beherrschen?“ beiläufig auf Klimawandel-Leugner Trump ein, der schon vor mehreren Jahren seinen Golfplatz in Irland durch einen Schutzwall gegen den drohenden Anstieg des Meeresspiegels hat absichern lassen. Auch er glaubt also insgeheim an die Erkenntnisse der Wissenschaft. Erstaunlich ist, dass wir auf die Wettervorhersage vertrauen und bei vorausgesagtem Regen einen Schirm mitnehmen. Klimamodelle hingegen nehmen wir zu wenig ernst. Wahrscheinlich liegt das daran, dass es mit dem Schirm nicht getan ist. Wir sollten uns bewusst machen, dass eine klimaschonende Lebensweise nicht nur Entbehrung, sondern auch Vorzüge bringen könnte. Denken wir an grüne Innenstädte mit Lebensqualität und weniger Autoverkehr.

Klimamodelle - Was kommt auf uns zu?

Meteorologe und Fernsehmoderator Özden Terli reflektiert in einem Vortrag für die Heinrich-Böll-Stiftung über Wetterextreme in 2024, nämlich über drei Jahrhundertereignisse aus dem vergangenen Jahr. In Spanien sei die Regenmenge eines Jahres in weniger als zwölf Stunden gefallen. In Griechenland sei es zur „Megakatastrophe“ gekommen. Die prognostizierten Regenmengen dort, die übrigens Wirklichkeit wurden, seien so hoch gewesen, dass man den Prognosen unter Meteorologen gar nicht getraut habe. 

Auch in Norddeutschland sei es zu tragischen Überschwemmungen gekommen. Terli tritt auch in „Maithink X“ zum Thema Kipppunkte auf, in der Wissenschaftsjournalistin, Chemikerin und Autorin Mai Thi Nguyen-Kim unterhaltsam und informativ in knapp dreißig Minuten darüber aufklärt, wie wir gerade dabei sind, das Klima irreversibel zu verändern.

Wenn der Kipppunkt überschritten wird

Sie vergleicht die Dynamik eines „Kipppunktes“ mit einem Jenga-Turm aus Bauklötzen. Kleine Veränderungen, wenn man einen Baustein herauszieht, würden den Turm erst einmal lokal destabilisieren. Sie könnten aber auch die Stabilität im ganzen System schwächen, vor allem, wenn mehrere einzelne Klötzchen fehlen. Solange der Kipppunkt noch nicht erreicht ist, könne man das Klötzchen auch wieder reinschieben und den Zusammenbruch des Gesamtsystems verhindern. Wenn der Kipppunkt aber überschritten ist und der Turm einstürzt, kann man nichts mehr tun. 

Özden Terli veranschaulicht am Beispiel des grönländischen Eisschilds, wie ein solcher Kipppunkt wirkt. So führe das Schmelzen des Eises zunächst dazu, dass sich Wassertümpel mit dunkler Oberfläche bilden würden, die die Sonnenstrahlung stärker aufnehmen würden als das helle Eis. Letztendlich würde das Wasser dann stärker erwärmt, was zu weiteren Abschmelzungen führe. Das Ganze nehme eine Eigendynamik an, die nicht rückgängig zu machen sei. Schmilzt der grönländische Eisschild, steigt der Wasserspiegel, und zwar um sieben Meter, wenn alles wegschmilzt.

Veränderung der Meeresstöme

Das Tauen der Pole beeinflusst wiederum an anderen Punkten das Klima und triggert andere Kipppunkte, beispielsweise den Nordatlantikstrom oder den Jetstream. Der Nordatlantikstrom ist ein wichtiger Bestandteil der Atlantischen Umwelzströmung (AMOC = Atlantic Meridional Overturning Circulation), die warmes Wasser aus den Tropen nach Norden transportiert und kaltes Wasser in die Tiefe absinken lässt. Das Abschmelzen des grönländischen Eisschilds führt dazu, dass große Mengen Süßwasser in den Nordatlantik gelangen und das System aus dem Gleichgewicht gerät. 

Versiegt der Nordatlantikstrom, würden sich Wetter- und Niederschlagsmuster komplett verändern, in Mitteleuropa würde es um einige Grade kälter werden, im Norden Deutschlands womöglich um zehn Grad innerhalb eines Jahrhunderts. In der ARD-Mediathek findet man auch einen ansehnlichen Beitrag von Sven Plöger, der sich explizit mit dem Schmelzen der Arktis und den Auswirkungen befasst (Wenn die Arktis schmilzt: „Wie extrem wird das Wetter, Sven Plöger?“). 

So wirkt das Abschmelzen des Eises und die Abnahme des Temperaturunterschiedes zwischen der eiskalten Arktis und den wärmeren südlicheren Breiten unter anderem auf den Jetstream, ein Starkwindband in der oberen Troposphäre. Derselbe wird von den Temperaturunterschieden nämlich angetrieben. Schwinden diese, wird der Jetstream schwächer. Hoch- und Tiefdruckgebiete bleiben dann länger an einem Ort, so dass Hitzewellen und Dürren länger bestehen bleiben, Starkregen und Hochwasser länger andauern, ebenso auch Kälteeinbrüche.

Warum geschieht zu wenig?

Juli Zeh positionierte sich im Januar mit einem interessanten und prägnanten Beitrag in der Talkshow „Hart, aber fair“ zu der Frage, warum Rechtspopulisten weltweit auf dem Vormarsch seien. Dieselben werben mit einem vereinfachten Weltbild, in dem der komplexe Klimawandel und unbequeme Maßnahmen dagegen keinen Platz haben. 

Zeh meint, dass wir es mit einer Gegenbewegung zu tun hätten, die Ergebnis einer zehn, fünfzehn, fast zwanzig Jahre dauernder, sehr radikaler Globalisierung sei. Diese habe manchen Gesellschaftsschichten genutzt, anderen stark geschadet. Dadurch sei ein Gefühl von Ungerechtigkeit, Unvorhersehbarkeit, von vermeintlich chaotischen Verhältnissen entstanden. Daher hätten nun Modelle Erfolg, die versprechen, das ein Stück weit zurückzudrehen und die Räume zu schließen, die Antworten einfacher zu machen und den Leuten, die sich benachteiligt fühlen, so etwas wie Stolz zu geben. „Ich glaube, denen wird ein Stück Ego-Stolz und Selbstbewusstsein zurück gegeben als Ausgleich für das Unterlegenheitsgefühl“, so Zeh. 

So plausibel diese Erkenntnis die Realität trifft: Packen wir den Klimawandel nicht ernsthaft an und versuchen die Folgen zu minimieren, werden wir langfristig nicht nur gravierende Veränderungen des Klimas aushalten, sondern wir werden sicherlich in einen Kampf um Ressourcen eintreten müssen. Wir sind womöglich die letzte Generation, die eine Klimakatastrophe noch abwenden kann. Daher wird es Zeit, dass jemand die Verantwortung übernimmt und positive Szenarien in den Raum stellt, wie wir trotz diverser Einschränkungen, um die wir nicht herumkommen werden, eine klimaschonende Zukunft haben können, die auch schöne Veränderungen mit sich bringt.

Was tun?

Dr. Hans Stefan Bauer geht im Gespräch darauf ein, dass es ein Muster sei, dass Klimakonferenzen nur einen Minimalkonsens als Ergebnis liefern und erachtet diese Tatsache als nicht zu verachtenden Teil des Problems. Auch Sven Plöger macht sich in seinem Bestseller Gedanken dazu. Er plädiert dafür, den Abstimmungsmodus im Weltklimarat zu überdenken, zumal aktuell immer ein Konsens gesucht würde, der oftmals nicht zustande komme, so dass keine wichtigen Maßnahmen, sondern viel zu kleine Schritte unternommen würden. Dies kann freilich nur ein weiterer Aspekt in einer ganzen Reihe von notwendigen Maßnahmen sein, wenn wir den fortschreitenden Klimawandel noch aufhalten wollen.