Bald steht Weihnachten vor der Tür und unter dem einen oder anderen Baum wird sicherlich auch ein neues Spiel liegen, bei dem die ganze Familie mitmachen kann. Statt „Raus ins Grüne“ heißt es in den Wintermonaten dann auch „Ran an den Spieletisch!“. Wir haben uns mit dem Spieleexperten und Spieleredakteur Wolfgang Lüdtke unterhalten und ihn nach Tipps für eine gelingende Familienspielzeit gefragt.

Herr Lüdtke, was zeichnet eigentlich ein gutes Familienspiel aus?

Bei Familienspielen ist es wichtig, dass man leicht ins Spiel hineinfindet. Am besten geht das mit kurzen oder einfach vermittelbaren Regeln. Wichtig ist auch, dass alle gleichberechtigt sind und gleiche Chancen haben. Das sorgt für eine gute Grundstimmung. Wenn das Spiel dann auch noch mit sich bringt, immer wieder interessant und spannend zu sein - beispielsweise durch Zufallselemente - dann steht einem guten Familienspiel nichts mehr im Wege.

Moderne Spiele bringen aber noch weitere Elemente ins Geschehen. Beim modernen Spieleklassiker „Catan“ zum Beispiel feilschen und handeln die Spieler richtig miteinander. Hier geht es häufig sehr lebhaft zur Sache. Zudem wird das Spielfeld immer wieder neu zusammengesetzt, sodass es jedes Mal eine neue Ausgangssituation gibt.

Zur Person:

Wolfgang Lüdtke

59 Jahre, arbeitet seit 25 Jahren für den KOSMOS Verlag als Spieleredakteur

Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG
Pfizerstraße 5 - 7
70184 Stuttgart

www.kosmos.de

Ist es überhaupt wichtig, dass Familien miteinander spielen?

Ich finde, es ist grundsätzlich wichtig, dass Familien gemeinsam etwas unternehmen. Im Spiel kommt für Kinder aber noch ein weiterer Aspekt hinzu. Sie beobachten ihre Eltern und lernen von ihnen - ganz spielerisch. Auch bei Geschwisterkindern ist dieses Abschauen und spätere Anwenden ein wichtiges Element in der Entwicklung.

© Adobestock.com/Kzenon

Was drücken Eltern aus, wenn sie mit ihren Kindern spielen?

Sie zeigen Ihnen damit, dass sie sie ernst nehmen und dass sie gleichberechtigte Mitspieler sind. Eltern können vermitteln, dass man auch mal verlieren darf, ohne gleich das Spielmaterial vom Tisch zu fegen. Und sie können vermitteln, dass man auch gewinnen kann, ohne über die unterlegenen Mitspieler zu triumphieren.

Können auch schon kleine Kinder bei Gesellschaftsspielen mitmachen?

Regelspiele, also das Spielen nach Anleitung, kann man mit Kindern schon ab etwa vier oder fünf Jahren machen. Natürlich haben Kinder bei Memo-Spielen schon in jüngerem Alter Spaß und ebenso bei einfachen Puzzle-Spielen. Eltern können als Alternative bei Spielen, die für Ältere empfohlen sind, die Regeln so abändern, dass auch schon jüngere Kinder mit Freude dabei sind. Sie können zum Beispiel auch das Material eines Spiels nehmen und damit zu freiem Spiel anregen.

Und auf was sollte man bei der Spieleauswahl achten?

Bei der Auswahl des passenden Spiels sollte man sich an der Altersempfehlung auf den Spieleschachteln orientieren. Bei Spielen ab sechs Jahren können schon etwas mehr Regeln hinzukommen. Dennoch sollten es nicht zu viele sein. Der Glücksfaktor spielt eine wichtige und ausgleichende Rolle. Die Spieldauer sollte bei circa 20 bis 30 Minuten liegen. Ab acht Jahren können Kinder schon Spiele spielen, bei denen es auch auf Planung ankommt. Diese dürfen 30 bis 45 Minuten betragen. Ab zehn Jahren kann man mit seinen Kindern die meisten Spiele spielen. Diese Spiele dürfen schon 60 Minuten und - wenn sie durchgehend spannend sind - auch länger sein. Hier spielt das Glück weiterhin eine Rolle, aber die eigenen Entscheidungen überwiegen.

Spiele ab zwölf Jahren sind meist geeignet für Spieler, die schon einige Erfahrung mit dem Spielen haben. Diese Spiele sind meistens komplexer und werden häufig auch in reinen Erwachsenenrunden gespielt, die eine spielerische Herausforderung suchen.

Spiele, bei denen sich mehrere Generationen begegnen können, wie beim Spieleklassiker „Mensch ärgere dich nicht“, sind in Familien besonders beliebt. Welche Spiele können Sie empfehlen, die diesen Aspekt mit berücksichtigen?

„Ubongo“ funktioniert gut mit jüngeren und auch mit älteren Teilnehmern. Man kann hier auch für faire Voraussetzungen sorgen, indem man zum Beispiel jüngeren Spielern etwas mehr Zeit zur Verfügung stellt. So sind trotzdem alle gefordert und es wird für die Älteren nicht zu leicht. Auch „Drop it“ funktioniert sehr gut mit Spielern ab acht Jahren aufwärts bis ins höhere Alter.

Das aktuelle Spiel des Jahres 2022 „Cascadia“ eignet sich in der vereinfachten Familienvariante schon für Kinder ab acht Jahren, ist aber durch die verschiedenen Aufgabenkarten auch für erfahrene Spieler interessant. Aufgrund des Themas Tiere in der Natur fühlen sich auch viele ältere Menschen angesprochen.

Wie damit umgehen, wenn ein Kind beim Verlieren in Rage gerät?

Zunächst ist es wichtig, als Erwachsener ein solches Verhalten nicht vorzumachen. Außerdem sollte man, wenn man gegen das Kind gewinnt, dies nicht zu sehr betonen. Man kann durchaus darauf hinweisen, dass das Glück im Spiel eine Rolle gespielt hat und beim nächsten Mal alles anders aussehen kann. Vielleicht bietet man dem Kind eine zweite Partie an.

Wichtig ist zu vermitteln, dass es keine Schande ist zu verlieren. Sollte das Kind bei jedem verlorenen Spiel in Rage geraten, könnten die Eltern es zunächst mit einem kooperativen Spiel versuchen. Hierbei gewinnen alle gemeinsam oder verlieren gemeinsam. Alle Teilnehmer sprechen sich bei ihren Spielzügen ab und auch die Jüngsten können ihre Fähigkeiten und Vorschläge in die gemeinsame Spielgruppe einbringen. Ältere Kinder ab etwa zehn Jahren können dabei in die fantastische Welt von „Die Legenden von Andor“ eintauchen oder gemeinsam „Die Abenteuer des Robin Hood“ erleben. Für jüngere Kinder gibt es mit „Andor Junior“ ein spannendes Gruppenerlebnis schon ab sieben Jahren. Und noch jüngere Kinder ab circa sechs Jahren haben viel Freude dabei, in „Dodo“ gemeinsam das Wackel-Ei sicher einen Berg hinunterzugeleiten.

Was versteht man unter Teamspielen?

Dabei werden die Teilnehmer in zwei oder mehr Gruppen (= Teams) aufgeteilt. Innerhalb der Teams spielt man kooperativ, alle ziehen an einem Strang. Aber die Teams untereinander stehen im Wettbewerb. Am Ende wird ein Team gewinnen. Teamspiele eignen sich sehr gut für kommunikative Spiele, bei denen man gemeinsam Aufgaben erfüllt.

Tipps & Wissenswertes in Kürze:

Spiel des Jahres und Kinderspiel des Jahres

1977 schlossen sich einige führende Spielekritiker im deutschsprachigen Raum zu einer Arbeitsgruppe zusammen. Aus diesen Anfängen heraus entwickelte sich der „Verein Spiel des Jahres“, der jedes Jahr unter anderem den Kritikerpreis „Spiel des Jahres“ und „Kinderspiel des Jahres“ vergibt. Dem Verein geht es aber in erster Linie darum, den Wert des Spielens in Familie und Gesellschaft hervorzuheben und als wichtiges Kulturgut zu stärken. www.spiel-des-jahres.de

Spiel gut e.V.

Seit sechs Jahrzehnten berät der Verein spiel gut zum Kauf von Spielsachen.

www.spielgut.de

Das orangefarbene Siegel bietet Eltern eine Entscheidungshilfe, um im riesigen Spielzeugmarkt das Passende für ihr Kind zu finden. spiel gut ausgezeichnete Spielsachen sind von Kindern erprobt und von Fachleuten als besonders geeignet befunden.

Und was tun, wenn man selber eher ein Spielemuffel ist?

Am besten eine Person finden, die gerne spielt. Diese sollte ein Spiel für eine gemeinsame Runde auswählen, das die oben genannten Kriterien erfüllt. Wenn man die Regeln erklärt bekommt, fällt der Einstieg ins Spielerlebnis gleich viel leichter. Für viele Spiele gibt es eine Erklär-App, sodass man die Anleitung gar nicht erst lesen muss.

Wer nicht viel spielt, aber dafür gerne rätselt, kann sich auch mit Freunden ans gemeinsame Rätseln bei einem „EXIT“- Spiel machen. Hierbei kann jede Person ihre individuellen Stärken einbringen und die Gruppe hat mehr als einmal echte High-Five-Erlebnisse. Ein gutes Kriterium für ein geeignetes Spiel zum Ausprobieren ist die Auszeichnung „Spiel des Jahres“. Diese wird von einer unabhängigen Jury vergeben. Die einzelnen Mitglieder spielen alle Spiele in verschiedenen Gruppen, um das am besten geeignete Spiel zu finden.