Ein kleiner blonder Junge mit hellblauem T-Shirt steht im Klassenzimmer vor einer Tafel und bewegt sich. Im Vorder- und Hintergrund erkennt man noch weitere Kinder, hauptsächlich deren Arme.
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Bewegung fördert den Lernerfolg bei Kindern

01.02.2020

Körper und Geist hängen ebenso zusammen wie Bewegung und Lernen. Denn in der Hirnforschung ist längst bekannt, dass Lernen ein ganzheitlicher Prozess ist, der nicht allein auf der kognitiven Ebene stattfindet. Gerade Schüler können durch Bewegung in ihrer Lernmotivation unterstützt werden und kognitive Inhalte besser aufnehmen.

Pädagogen vertreten seit vielen Jahren die Meinung, dass Lernen ein ganzheitlicher Prozess ist und dass Lerninhalte nicht allein durch kognitiven Unterricht vermittelt werden sollten.

Zeichnung eines Gehirns, welches Gewichte hebt.

Die Bedeutung von Bewegung in diesem Prozess wurde durch die moderne Hirnforschung bestätigt. Sie ist zu dem Schluss gekommen, dass ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Bewegung und Lernerfolg besteht. Denn wer sich bewegt, beeinflusst das Langzeitgedächtnis positiv, sodass er bessere Lernerfolge erzielen kann.

Bei der Einspeicherung neuer Gedächtnisinhalte spielt der Hippocampus (Region im Gehirn) eine entscheidende Rolle. Er kann als eine Art Schnittstelle zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis verstanden werden. Alle Informationen, die wir über unsere Sinne erhalten, werden zunächst im Kurzzeitgedächtnis verarbeitet. Was wichtig ist, leitet der Hippocampus an das Langzeitgedächtnis weiter. Allerdings stellte die Neurowissenschaftlerin Dr. Manuela Macedonia fest, dass „nur, was wir tatsächlich im Kurzzeitgedächtnis aufnehmen, auch ins Langzeitgedächtnis übertragen wird“.

Es bedarf also einer gewissen Aufmerksamkeit, damit das Kurzzeitgedächtnis überhaupt aufnehmen kann. Jeder Leser kennt wohl die Situation, in der er einen Text liest und mit den Gedanken woanders ist, sodass er am Ende nicht mehr weiß, was er wortwörtlich gelesen hat. Das macht es für den Hippocampus natürlich unmöglich, diesen Text ins Langzeitgedächtnis zu übertragen.

Sport ist wichtig

Kinder-Fußball Turnier im Freien.

Wer sich sportlich betätigt, schafft die besten Voraussetzungen für einen darauf folgenden Lernprozess. „Ein Schultag verläuft deutlich effektiver, wenn in der ersten Stunde Sportunterricht ist“, betont der Psychiater und Leiter des Transferzentrums für Neurowissenschaften und Lernen an der Universität Ulm, Manfred Spitzer, der vielen Eltern auch als Ratgeber-Autor bekannt ist.

Tatsächlich wird beim Sport mehr Sauerstoff ins Blut transportiert, wovon unter anderem der Hippocampus profitiert. Er kann einfacher aus dem Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis übertragen und damit den Lernprozess im Gehirn beschleunigen. Schon durch regelmäßige Pausen im Freien während des Lernens macht sich das bemerkbar, jedoch hat „frische Luft“ alleine lange nicht den Effekt wie Bewegung an der „frischen Luft“, weil in der Bewegung mehr Sauerstoff ins Gehirn transportiert wird.

Außerdem wird beim Sport ein besonderer Wachstumsfaktor ausgeschüttet, der BDNF (Brain Derived Neurotrophic Factor). „Er wirkt wie ein Dünger auf das Wachstum und die Differenzierung der Neuronen“, erklärt Macedonia. Und so können Informationen nochmals „wesentlich besser vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis übertragen werden“, fand die Hirnforscherin heraus.

Gehirn entlasten

Wenn Schüler sich körperlich auspowern, wird der motorische Kortex (Hirnregion), der Bewegung und Koordination steuert, aktiviert und braucht alle Ressourcen des Gehirns. Gleichzeitig wird jene Hirnregion, die für logisches Denken, Planen und Regulieren von Emotionen zuständig ist, entlastet. Diese Entlastung bewirkt nach Experimenten des Hirnforschers Stefan Schneider vom Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaften der Deutschen Sporthochschule Köln, dass „der Mensch sich nach körperlicher Aktivität besser konzentrieren und fokussieren kann“.

Bewegung baut Stress ab und macht den Kopf frei für neue gedankliche Herausforderungen. Das beobachtet der Neurowissenschaftler auch an Schulkindern: „Wenn Lehrer die mal rauslassen, damit sie sich austoben, dann können sie danach ganz anders mit ihnen arbeiten.“ Er vergleicht solche Pausen, in denen Regionen des Gehirns gebraucht werden, die für die Muskulatur, Atmung und Körperwahrnehmung zuständig sind, als „Reset“ für jene Bereiche, in denen kognitive und emotionale Prozesse angesammelt wurden. So sei der Kopf nach der körperlichen Anstrengung frei für neue Informationen.

Bei seinen Forschungen hat Schneider aber auch festgestellt, dass der Effekt nur dann eintritt, wenn die körperliche Aktivität mit Spaß verbunden ist und „die körperliche Belastung weder als zu hoch noch als zu niedrig empfunden wird“, so der Hirnforscher. Wie lange die verbesserte Aufnahme und Konzentrationsfähigkeit anhält, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Es gibt keine speziellen Untersuchungen dazu, aber Schneider geht aus seiner Erfahrung von 30 bis 120 Minuten aus.

Bewegte Schule

Es ist noch nicht allzu lange her, da dachte man, die Schulleistung wäre umso besser, je mehr regulärer Unterricht erteilt werde. Doch dann tauchten Studien auf, die zumindest belegten, dass mehr Sportunterricht und weniger regulärer Unterricht die Leistung der Schüler zumindest nicht verschlechtert. Erst die Ergebnisse moderner Hirnforschung lassen keinen Zweifel daran, dass Bewegung das Lernen sogar positiv unterstützt.

Mittlerweile gibt es eine Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass sich Schüler 60 Minuten am Tag sportlich betätigen sollten. Tatsächlich wurden in den letzten Jahren verschiedene Konzepte entworfen und auch mehr oder weniger realisiert, um den Schulalltag in Bewegung zu bringen: Innerhalb des Unterrichtes gibt es vielerlei Möglichkeiten, Abwechslung für Körper und Geist zu schaffen, um die Konzentration der Schüler zu verbessern: Rituale wie Klassendienste, Bewegungspausen und Abwechseln der Unterrichtsorte sind ebenso wie variierende Sitzordnung und Körperhaltung, also Lernen im Stehen, Sitzen oder Liegen, Möglichkeiten, ein wenig Schwung in den Schulalltag zu bringen.

Auch das Arbeitsklima ist wichtig für den Lernerfolg der Schüler. Dazu gehören gut gelüftete Räume, passende Licht- und Akustikverhältnisse aber auch ergonomisch passende, höhenverstellbare Tische und Stühle. Viele Schulen sind auch dazu übergegangen, den 45 Minuten-Takt aufzulösen, sodass eine individuellere Gestaltung von Unterricht und Bewegungspausen ermöglicht wird. „Eine Faustregel besagt, dass sich Kinder für eine Dauer konzentrieren können, die etwa ihrem Lebensalter mal zwei in Minuten entspricht, dann ist die Schwelle der Erschöpfung erreicht“, erklärt Dr. Michaela Sambanis, Professorin an der Freien Universität Berlin. Sie empfiehlt darum Lehrern, deren Klasse müde oder zappelig wird, „ein paar Minuten in eine spontan eingeschobene Bewegungsphase zu investieren“. Damit auch wirklich Schwung in die Pausen auf dem Schulhof kommt, haben manche Schulen dort Sportgeräte oder andere Möglichkeiten, sich aktiv körperlich zu betätigen, aufgebaut, die zur Bewegung einladen.

Aktive Freizeitgestaltung

Doch auch außerhalb der Schule ist es wichtig, dass Kinder sich bewegen. Das fängt schon mit dem Weg zur Schule an, den die Kinder mit öffentlichen Verkehrsmitteln und zu Fuß antreten sollten, anstatt im Auto bis vor das Schultor gebracht zu werden. Auch das Lernen zu Hause kann bewegt gestaltet werden. Der Kreativität der Eltern sind dabei keine Grenzen gesetzt. Egal, ob Klatsch- und Fingerspiele beim Rechnen oder Buchstabenhüpfen, gerade Grundschüler lernen viel leichter, wenn sie spielerisch an ihre Aufgaben herangeführt werden, als wenn sie energielos auf dem Schreibtisch herumlümmeln.

Zwei Mädchen spielen auf dem Spielplatz.

Ein weiteres wichtiges Thema im außerschulischen Alltag ist der Medienkonsum, der, egal welches Medium genutzt wird, auch mit einer Bewegungslosigkeit einhergeht. Die Kinder sitzen vor dem Fernseher, am Laptop, Tablet oder Handy und rühren sich nicht von der Stelle. Eltern sollten zumindest Abwechslung schaffen, indem sie ihre Kinder zu sportlicher Aktivität, Spiel im Freien und musischen Angeboten animieren. So sorgen sie für ein wenig Entlastung des Gehirns vom nicht zu vermeidenden Stress des Alltags.

Dr. Manuela Macedonia: Beweg dich! Und dein Gehirn sagt danke, Brandstätter 2018, 182 Seiten, EUR 22,00, ISBN 978-3-71060- 260-3

Michaela Sambanis und Maik Walter: In mOtion – Theaterimpulse zum Sprachenlernen, Cornelsen 2019, 80 Seiten, EUR 14,99, ISBN 978-3-589-16550-6

Petra Jansen/ Stefanie Richter: Macht Bewegung schlau? Zum Verhältnis von Bewegung und Kognition, Hogrefe 2016, 304 Seiten, EUR 29,95, ISBN 978-3-456- 85561-5