ZU sehen ist ein helles Klassenzimmer mit aufgestuhlten Tischen.

Aufwertung der Grundschulempfehlung

01.03.2020
Seitdem die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung abgeschafft wurde, besuchen immer mehr Schüler das Gymnasium, während die Schülerzahlen der Hauptschule massiv gesunken sind. Welche Schlüsse zieht das Kultusministerium daraus? Und ist das überhaupt der richtige Weg?

Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann hält es für einen Fehler, dass die rot-grüne Regierung die verbindliche Grundschulempfehlung zum Schuljahr 2012/13 abgeschafft hat. Demensprechend lobt sie es als Fortschritt, dass Eltern seit dem vergangenen Schuljahr dieselbe immerhin an der weiterführenden Schule bei der Anmeldung vorlegen müssen. Diese darf zwar Schüler aufgrund der Empfehlung nicht ablehnen, sie ist aber dann immerhin über den Leistungsstand der Schüler informiert.
„Die Grundschulempfehlung ist eine pädagogische Gesamtwürdigung, die nicht leichtfertig erstellt wird, sondern auf einer intensiven vierjährigen Arbeit der Lehrkräfte mit dem Kind beruht“, so Eisenmann. Künftig soll die Empfehlung deshalb weiter aufgewertet werden. Das Kultusministerium arbeitet an einem Konzept für mehr Verbindlichkeit der Empfehlung und für mehr Transparenz im gesamten Übergangsverfahren. Es gehe darum, den weiterführenden Schulen möglichst passgenaue Informationen an die Hand zu geben, damit ein guter Start an der neuen Schule gelingt und die Lehrkräfte die Kinder dort von Anfang an gezielt fördern können.
Ein Apfel liegt auf mehreren Büchern.

Mehr Verbindlichkeit

Es ist davon die Rede, dass man sich am Nachbarland Bayern orientieren wolle. Dort erhalten die Schüler im Mai ein „Übertrittszeugnis“. Vor allem die Leistungen in Mathematik, Deutsch und Sachkunde werden dokumentiert, aber auch das Arbeits-, Lern- und Sozialverhalten. Erzielt das Kind in diesem Zeugnis nicht den ersehnten Durchschnitt (für das Gymnasium 2,33), besteht noch die Möglichkeit, an einem dreitägigen Probeunterricht an der weiterführenden Schulart teilzunehmen. Neuer und alter Stoff wird unterrichtet, jeder Tag schließt mit einem Test. Bis zu einem Durchschnitt von 3,5 in Deutsch und Mathematik ist der Probeunterricht bestanden. Das bayerische Kultusministerium sieht außerdem die Klasse fünf als „Gelenkklasse“ und betont die Möglichkeit, nach erfolgreichem Abschluss des ersten Jahres in die nächst höhere Schulart wechseln zu können.

Eine gute Lösung?

So differenziert dieses Konzept klingen mag: Forscher der Universität Würzburg haben 2015 ermittelt, dass es enormen Stress bei Kindern und Eltern der vierten Klasse verursache. Und vergessen darf man auch nicht, dass die Empfehlung in Bayern verbindlich ist, auch wenn es Schlupflöcher zu geben scheint. Muss man die Entscheidungsfähigkeit der Eltern wirklich infrage stellen? Es ist laut Aussage des Ministeriums in Baden-Württemberg nicht geplant, zur Verbindlichkeit der Vergangenheit zurückzukehren. Aber ob mehr Wissenschaftlichkeit des Verfahrens und mehr Transparenz für die weiterführenden Schulen trotzdem nicht auch mehr Druck für Kinder
und Eltern bedeutet, bleibt offen. Auf Seiten der Lehrerverbände positioniert sich der Philologenverband als Befürworter der anstehenden Änderungen, während die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft bessere Beratungs- und Fördermöglichkeiten und letztlich auch die konsequente Besetzung offener Lehrerstellen fordert.